Der Pionier der Zukunft – Teil 2 Ben Calvin Hary schreibt über das Leben des PERRY RHODAN-Gründungsautors Clark Darlton

5. Juli 2020

Der PERRY RHODAN-Roman 3068 enthielt einen PERRY RHODAN-Report, in dem der Autor Clark Darlton im Zentrum stand. Der Grund: Er wäre am 13. Juni 2020 hundert Jahre alt geworden. Einer der Beiträge stammte von Ben Calvin Hary – wir präsentieren ihn auch an dieser Stelle. Wegen seiner Länge kommt der Artikel in zwei Teilen: gestern der erste, heute der zweite Teil.

Der Vater der Fan-Szene

Bis zum Schluss inszenierte Walter Ernsting sich gern als »Vater des Deutschen Science-Fiction-Fandoms«. Dieser Anspruch war nicht aus der Luft gegriffen. Durch seine Tätigkeit für UTOPIA und TERRA hatte er Kontakte zu amerikanischen Fans geknüpft – darunter Forrest J. Ackerman, unter dessen Ägide später die amerikanische Ausgabe von PERRY RHODAN erscheinen sollte. Ernsting war von der Fankultur im englischsprachigen Raum sehr angetan. Also beschloss er, die Dinge in die Hand zu nehmen und eine deutschsprachig Szene zu gründen.

Sein erster Schritt bestand in der Einrichtung eines Diskussionsforums. Diese Funktion erfüllte ab 1955 die Leserbriefspalte der UTOPIA-Großbände. Die »Meteoriten«, wie die neue Rubrik betitelt war, stellten so etwas wie den geistigen Vorläufer der heutigen PERRY RHODAN-Leserkontaktseite dar. Ernsting hatte sie gegen Kurt Bernhardts Widerstand durchgesetzt.

Ebenfalls 1955 war Walter Ernsting Mitbegründer des Science Fiction Club Deutschlands (SFCD, später zeitweise SFCE). Dem anfänglichen Optimismus schloss sich jedoch eine Zeit interner Wirrungen an, in der die junge SF-Szene Deutschlands sich um ein Haar selbst zerstörte. Heiko Langhans beschrieb die Querelen jener Tage in seiner Darlton-Biografie ausführlich. Mehr berichtet auch Michael Nagula in Band 1 von »PERRY RHODAN – Die Chronik« (Hannibal, 2011).

Letztlich führten diese Konflikte dazu, dass Ernsting sich resigniert abwenden und ab 1961 verstärkt seiner Arbeit für PERRY RHODAN widmen sollte. Dennoch fühlte er sich dem Fandom bis zu seinem Tod väterlich verbunden. Der SFCD existiert bis heute.

Schon während der Zeit als Redakteur für UTOPIA hatte sich Ernsting schriftstellerisch hervorgetan. Seinen ersten Roman »UFO am Nachthimmel« schummelte er als angebliche Übersetzung eines amerikanischen Werks unter dem Pseudonym »Clark Darlton« an Kurt Bernhardt vorbei in die Reihe.

Im Laufe der Jahre schrieb er auch unter anderen Pseudonymen, beispielsweise Tom Chester oder Fred McPatterson. Als Clark Darlton jedoch sollte er weltweite Bekanntheit erlangen.

Die Geschichten über die Entstehung von PERRY RHODAN gehen auseinander. Fest steht jedoch, dass Ernsting und K. H. Scheer seit 1960 an der Idee für eine Serie feilten, die im September 1961 das Licht der Welt erblickte. Seine anderen Tätigkeiten gerieten gegen PERRY RHODAN zunehmend ins Hintertreffen.

Privat war Ernstings Leben durch seine Arbeit, Umzüge und wechselnde Lebenspartner geprägt. Der Übergangszeit in Velken folgte ein Lebensabschnitt in der Nähe von Rastatt, anschließend ein Umzug nach Irschenberg in Bayern. Auf Anraten Kurt Bernhardts ehelichte er 1955 Waltraud Lange, doch die Beziehung hielt nicht.

1962 heiratete er seine zweite Frau Ursula. Dieser Ehe entstammten zwei Kinder. 1983 folgte Ehefrau Nummer drei, die Salzburger Schauspielerin Rosemarie Heinemann, von ihm »Bibs« genannt. Davor waren die beiden über zehn Jahre lang ein Paar gewesen. Ernsting lebte seit 1965 in Salzburg.

Nach einer Zeit in Ainring bei Freilassing, wo Ernsting und seine Bibs in einer Geschosswohnung über der seiner betagten Mutter lebten, entdeckte der Autor Irland für sich. Dort blieb das Ehepaar bis zu Bibs’ überraschendem Tod im Jahr 1986.

Ab 1990 erschienen Ernstings Romane zunehmend seltener. 1992 verfasste er mit »Der Verlorene« (PR 1622) seinen letzten PERRY RHODAN-Roman, bevor er sich von der Schriftstellerei zurückzog. Auf der Leserseite von Band 1700 erschien eine Grußbotschaft, in der er sich als Autor offiziell von der Serie und seinen Fans verabschiedete.

Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Walter Ernsting wieder in Salzburg, teils von Spätfolgen der Lungenerkrankung geplagt, die ihn seit der Kriegsgefangenschaft begleitet hatte. Bis zum Schluss blieb er den Fans verbunden, beispielsweise als gern gesehener Con-Gast oder per Grußbotschaft.

Walter Ernsting starb am 15. Januar 2005 im Alter von 84 Jahren. Er schrieb 192 PERRY RHODAN-Bände, dazu 32 ATLAN- und 24 PERRY RHODAN-Planetenromane, sowie über 80 serienunabhängige Werke. Damit hinterlässt er ein literarisches Erbe wie wenige deutsche Nachkriegsautoren. Die Science Fiction in Deutschland und die PERRY RHODAN-Serie im speziellen verdanken ihm alles.

Am 13. Juni 2020 wäre er 100 Jahre alt geworden. Herzlichen Glückwunsch, Walter!