Der legendäre Titelbildzeichner – Teil eins Eine Kolumne von Frank G. Gerigk über Johnny Bruck

5. Juni 2021

Der PERRY RHODAN-Roman »Flug in die Freiheit« (Band 3116, geschrieben von Kai Hirdt) enthielt einen Artikel von Frank G. Gerigk, der als Teil des aktuellen PERRY RHODAN-Reports veröffentlicht wurde. Diese Kolumne bringen wir nun in zwei Teilen auch an dieser Stelle: Heute erscheint Teil eins, morgen folgt der abschließende zweite Teil.

 

Johnny Brucks »Dienstgeheimnis«

Mit Johnny Brucks Hilfe wurde die PERRY RHODAN-Serie zu einem Blickfang am Kiosk und im Zeitschriftenhandel. Er selbst wurde zu einer Übergestalt, beinahe einer Legende. Wie konnte der meistpublizierte Titelbildzeichner der Kunstgeschichte so viel und schnell produzieren?

Als die PERRY RHODAN-Serie 1961 auf den Markt kam, war Johnny Bruck von Anfang an dabei. Er galt als erfahren und hatte sich sowohl beim damaligen Verlag als auch in der Szene einen guten Namen gemacht.

Der Auftrag, für die neue Serie zu zeichnen, war Bruck sehr willkommen. Anders als die eigentlichen Verlagsmitarbeiter sind Autoren und Zeichner nicht angestellt, sondern gelten als »freie« Mitarbeiter, die selbst sehen müssen, wie sie über die Runden kommen. Bei PERRY RHODAN waren nun, anstatt der üblichen Einzelaufträge, womöglich bis zu fünfzig Hefte geplant, deren Titelbilder alle er zeichnen würde.

Jede Woche musste also eines abgeliefert werden, pünktlich und sicher – und es musste zum Inhalt passen. Dazu wurden dem Zeichner Kopien der Romanmanuskripte zugesandt, so dass er seine Inspirationen daraus ziehen konnte.

Bruck lief zur Hochform auf. Es entstanden genreprägende Titelbilder, die bis heute bekannt sind. Daneben schuf er Innenillustrationen aus Tusche, anfangs fünf, später meist drei pro Heft. Auch für das Verlagsmarketing steuerte er immer wieder neue Zeichnungen bei. Der Erfolg, der sich für die Serie einstellte, übertraf alle Erwartungen. Die Auflage explodierte förmlich. Die Serie wurde nicht mit Heft 50 eingestellt – sondern läuft noch heute!

1964 erschien eine Taschenbuchreihe mit abgeschlossenen Einzelromanen: die »Planetenromane«. Auch hier sollte Bruck die Titelbilder zeichnen. Ab 1969 erschien die Schwesterserie ATLAN, die Bruck ebenfalls übernahm, inklusive der Innenillustrationen. Für die Taschenbuchreihe »ZBV« von K. H. Scheer, die im selben Verlag startete, zeichnete er sämtliche 50 Titelbilder.

Schon ab 1973 gab es eine dritte Auflage von PERRY RHODAN. Da die Originale teilweise nicht mehr vorhanden waren, musste Bruck etliche Titelbilder erneut zeichnen. Hierbei hielt er sich akribisch an die ursprüngliche Version, sodass die Leser kaum Unterschiede bemerkten. Jahre später sollte es zudem eine vierte und fünfte Auflage geben, und auch hierfür wurden manche Titelbilder neu gemalt – vom Motiv zu Band 1 beispielsweise gab es mindestens vier unterschiedliche Versionen.

Von 1978 an erschienen dann die PERRY RHODAN-Silberbände. Auch für diese gestaltete er sämtliche Titelbilder, diesmal mit 3D-Effekt.

 

Ein unaufhörlicher Arbeitseinsatz

Daneben liefert Bruck mindestens 200 Tierskizzen für die Zeitschrift »Die Pirsch« und malte auch die Titelbilder etwa für die »Tarzan«-Serie vom Heyne-Verlag. Er arbeitete bis zu zwanzig Stunden am Tag, begann nachmittags, rauchte dabei Kette, und gelegentlich gab es neben Unmengen von Kaffee einen Whisky. Auch die Nacht wurde genutzt. Den Vormittag verschlief er meist – er konnte ungehalten reagieren, wenn man ihn zu dieser Tageszeit telefonisch zu erreichen suchte. Nur selten gönnte er sich ein paar Tage Urlaub pro Jahr.

Bruck malte die Bilder für PERRY RHODAN überwiegend mit Temperafarben auf Zeichenkarton im Format von etwa 35 auf 50 Zentimeter. Für den Druck wurden die Bilder in der Druckerei entsprechend verkleinert. Pro Jahr schuf er mindestens 180 Titelbilder und eine ähnlich hohe Anzahl an Illustrationen. Sein Gesamtwerk wird auf etwa 4000 Malereien und Zeichnungen geschätzt – damit ist er vermutlich weltweit der Künstler, der die meisten Titelbilder gezeichnet hat.

Selbst sah er sich eher als Handwerker denn als Künstler – notgedrungen, denn er bedauerte, dass er gezwungen war, in Masse zu produzieren. Die einzelnen Bilder brachten nur einen vergleichsweise bescheidenen Erlös. So konnte er selten zeigen, zu welcher Fertigkeit er fähig war, doch um in hoher Schlagzahl produzieren zu können, gewöhnte er sich verschiedene besondere Techniken an. Einige seiner »Geheimnisse« werden hier vorgestellt:

Der Großteil der Science-Fiction- und Fantasy-Titelbilder, die heutzutage erscheinen, sind nicht mit dem Pinsel gemalt, sondern werden digital erstellt und enthalten Bestandteile aus allen möglichen, teils kostenpflichtigen Foto-Datenbanken. Mit entsprechender Software können so 2D- und 3D-Objekte erstellt und zu ganzen Szenerien kombiniert werden. Zusätzliche Bearbeitungen und Effekte sorgen für ein hohes Maß an Individualität.

Im vordigitalen Zeitalter gab es diese Möglichkeiten nicht. Stattdessen wurde auf bestehende Abbildungen aus allen möglichen Quellen beziehungsweise Publikationen zurückgegriffen. So war das Kopieren von Szenen, Hintergründen oder lediglich Bildbestandteilen von Beginn an das tägliche Geschäft aller Kunstschaffenden.

Nicht nur das: Das Kopieren bekannter Werke galt vor der Erfindung des Urheberrechts nicht als unschicklich, sondern als Hommage an den Erstschaffenden – und als unabdingbare Übung eines jeden Eleven, selbst ein bekannter Künstler zu werden. Zu den berühmtesten Beispielen solcher Verehrer gehört Peter Paul Rubens (1577 – 1640), dessen »Adam und Eva« eine fast identische Kopie des gleichnamigen Gemäldes von Tizian (Tiziano Vecellio, 1488 – 1576) ist. Rubens kopierte dabei das komplette Gemälde und veränderte lediglich die Haltung des Adam. Künstler wie Henri Matisse (1869 – 1954) dagegen kopierten auf Geheiß ihres Galeristen immer wieder sich selbst.

Frank G. Gerigk

Perry Rhodan 3116: Flug in die Freiheit
Kai Hirdt
PERRY RHODAN DIGITAL
ISBN/EAN: 9783845361161
1,99 €
(inkl. MwSt.)
Download
In den Warenkorb
Perry Rhodan 3116: Flug in die Freiheit
Kai Hirdt
Pabel Moewig Verlag KG
ISBN/EAN: 9999900006322