Braunschweig 2022 – Oder: Warum ich keinen Sport brauche – Teil 3 Eine Kolumne von Hermann Ritter

13. Oktober 2022

Der nächste Punkt war der neunte Punkt auf meiner Liste. Und langsam merkte ich doch, dass ich in diesem Fan-Marathon ein paar Kalorien lassen würde.

Roman Schleifer wollte wohl nicht mit mir alleine sprechen, deshalb hatte er Gerd Domin mitgebracht. Und Rüdiger Schäfer schaltete sich auch in das Gespräch ein, so dass die nächste halbe Stunde ein sehr launiges Quartett war.

Roman konnte sich zurücklehnen, nachdem er klargemacht hatte, dass er jahrelang versucht hatte, Gerd Domin aufzutreiben. Das war ihm gelungen, und Gerd Domin genoss es sichtlich, über seine Comic-Vergangenheit zu sprechen. Er nahm sehr erstaunt wahr, wie viele Fans er heute noch hat – und viele im Raum konnten sich beim Ansehen der Cartoons (die an die Wand projiziert wurden) wieder amüsieren. Man kann nur hoffen, dass wir von Gerd wieder einiges zu sehen bekommen werden.

Roman war im siebten Fan-Himmel. Der normalerweise nicht sehr schüchterne Autor war glücklich, seine Personen-Suchliste mit Domin weiter minimiert zu haben. Am wichtigsten war aber: Wir hatten Spaß.

Mit Olaf Brill konnte ich gleich anschließen. Wieder jemand, der ungefähr gleich alt wie ich ist. Aufgewachsen mit dem Fernsehen der 70er und 80er, im Fandom genauso lange wie ich unterwegs.

Olaf ist der Mann der tausend Fähigkeiten. Studierter Philosoph mit einem Termin 1994 bei Stanislaw Lem für ein Interview, Stummfilmfachmann mit einem Klassiker über »Caligari« im Portfolio, charmanter Plauderer zu den Filmen von Fritz Lang, dazu noch beinahe nebenher aus dem Handgelenk geschüttelt Autor für PERRY RHODAN. Gemeinsam plauderten wir die halbe Stunde fast ohne Luft zu holen durch.

Ein weiterer Altersgenosse war dann Götz Roderer. Wir zwei sind ja – wie wir gerne lachend zugeben – »am unteren Ende der Rhodan-Nahrungskette«. Unseren gemeinsamen Auftritt bei der Autoren-Autogrammstunde 2011 in Mannheim bezeichnen wir inzwischen als »Lehrstunde in Bescheidenheit«.

Dieses Mal hatte Götz vorgebaut. Begleitet von seiner zauberhaften Frau, suchte er mehrmals die Möglichkeit, im Vorgespräch einerseits ihr klarzumachen, dass wir alle gar nicht verrückt seien, um dann mich daran zu erinnern, was wir alles an verrückten Sachen gemacht haben. Das Konzept schien mir in dem Gespräch selbst nicht aufzugehen, aber alles war gut, als er dann abends lachend mit mir auf der Bühne saß.

Natürlich ging es wieder um jene Mobilität, die er beruflich fördert, aber privat umgeht (und sei es nur, indem er bei der Bahn konsequent falsche Fahrkarten kauft). Es ging auch um Musik und Komposition, unveröffentlichte Bücher, Auslandsaufenthalte und die Unnötigkeit von Pseudonymen, wenn man Hannibal Othello Xerxes Utan oder eben Götz Roderer heißt.

Jetzt war die Zeit für ein schnelles Abendessen gekommen, bevor ich mich gemeinsam mit Robert Vogel in die »Late Night Old Rocketman« stürzen wollte. Immerhin machte ich damit das Dutzend an Programmpunkten voll. Von daher war es selbstverständlich, dass ich meinen Programmpunkte-nach-Corona-aufholen-Tag mit ihm auf zwei Couchsesseln fläzend ausklingen lassen würde.

Auch Robert ist jemand, den ich über 40 Jahre kenne. Wir sind fast gleich alt, beides Rosenmontagskinder, beides Südhessen. Daher haben wir immer Chancen, dass unser Humor kompatibel ist.

Wir verplauderten die anderthalb Stunden in netter Kulisse auf der großen Bühne mit Schwänken aus unserer Vergangenheit, schönen Geschichten über Filmprojekte, in die Robert Einblick hat, und Informationen über die Raumfahrt aus Darmstadt, deren inoffizieller Botschafter Robert ist.

Aber natürlich ging es auch um FOLLOW, Deutschlands ältesten Fantasy-Verein, in dem wir zwei uns eigentlich kennengelernt haben. Wir erinnerten uns an wichtige und unwichtige Personen unserer Geschichte – von Stefan Somogyfoki, der schon ab 1980 mit dem ersten deutschen Fan-Fantasy-Film begann (»The Eternal War«) über das Fantasy-Ausnahmetalent Hubert Straßl und einen nächtlichen Besuch bei ihm bis hin zu Roberts Kontakten zu »Stargate«-Mitwirkenden.

Auch in »Iron Sky« ist Robert zu sehen – und die Geschichte, wie es zu dem Cameo kam, ist eigentlich schon eine eigene Abendshow wert. Nicht unerwähnt bleiben darf die Geschichte um die dänischen Untertitel bei »Angriff der Killertomaten«. Aber die gehört nicht hierher, dann hätte man schon dabei sein müssen.

Es war ein wundervoller Tag. Ich fuhr am nächsten Tag direkt heim, damit keiner sah, wie ich nach dem Einsatz aussah. Aber es war es wert. Jede Sekunde.

Hermann Ritter