Als die Science Fiction nach Deutschland kam – Teil 2 Hermann Urbanek schreibt über wichtige Werke des PERRY RHODAN-Gründungsautors Clark Darlton

12. Juli 2020

Der PERRY RHODAN-Roman 3068 enthielt einen PERRY RHODAN-Report, in dem der Autor Clark Darlton im Zentrum stand. Der Grund: Er wäre am 13. Juni 2020 hundert Jahre alt geworden. Einer der Beiträge stammte von dem Science-Fiction-Experten Hermann Urbanek– wir präsentieren ihn auch an dieser Stelle. Wegen seiner Länge kommt der Artikel in zwei Teilen: gestern der erste, heute der zweite Teil.

Der in seinem Ausmaß für alle Beteiligten unerwartete Erfolg der PERRY RHODAN-Serie – der nun schon seit fast sechzig Jahren anhält – und sein schriftstellerisches Engagement für diese gemeinsam mit K. H. Scheer entwickelte Weltraumsaga machten es Darlton ab 1961 unmöglich, seinen Output an serienunabhängigen Romanen in der bisherigen Form weiterzuführen. Schließlich musste er jeden Monat ein neues Kapitel dieser Zukunftsgeschichte der Menschheit verfassen.

Die Fans, vor allem die durch PERRY RHODAN neu hinzugestoßene Leserschaft, brauchten auf eigenständige Romane des Autors aber nicht gänzlich zu verzichten. Denn die 1962 aus der Taufe gehobene neue Reihe TERRA-Extra brachte zu Beginn ausschließlich Klassiker von Darlton und Scheer, die im Original schon lange nicht mehr erhältlich waren.

Ernstings wenige neue Veröffentlichungen konnten sich sehen lassen. Gemeinsam mit Ulf Miehe schrieb Darlton Mitte der 60er-Jahre unter dem Pseudonym Robert Artner die Romane »Der strahlende Tod« und »Leben aus der Asche«, in denen große Teile der Menschheit einer Waffe zum Opfer fallen, während alle Errungenschaften der Zivilisation verschont bleiben – und in denen die überlebende Elite erneut versucht, die Macht an sich zu reißen. 1986 schob Ernsting alias Darlton mit »So grün wie Eden« noch einen abschließenden Band nach.

Nicht uninteressant waren zudem die Romane, in denen Darlton seine »Hurricane«-Serie weiterführte. Gestartet worden war sie bereits in Prä-PERRY RHODAN-Zeiten. Schlussendlich bestand sie aus zehn Bänden. Die vielschichtigen Abenteurer und Prospektoren Bill Hawkins und Ted Ringer erleben, bisweilen auch im Auftrag der Raumflotte, Abenteuer auf exotischen Planeten. Sie treffen auf Roboterzivilisationen und stoßen sogar nach Andromeda vor.

Diese kurze Serie hatte eine kuriose Publikationsgeschichte. Ende der 1950er- und Anfang der 1960er-Jahre schrieb Darlton sowohl für Moewigs TERRA als auch für die bei Pabel erscheinende Reihe UTOPIA. So erschienen 1959 die beiden ersten »Hurricane«-Romane in TERRA: »Utopia stirbt« (1969), vom Titel her eine Verunglimpfung der Konkurrenz bei Moewig, und »Planet der 1000 Wunder«, unter Verwendung des Pseudonyms Fred McPatterson.

Die Bände drei bis acht, von »Die Stadt der Automaten« (1961) bis »Kosmischer Schwindel« (1963), wurden in UTOPIA veröffentlicht. Die beiden letzten dann wieder in TERRA: der Doppelband »Das Riff der Andromeda« (1965) und »Die Gravitationssonne« (1968). Dieser Zyklus ist Darltons wohl ambitioniertestes Werk und nach PERRY RHODAN sein längster Beitrag zur Science Fiction. Er erlebte 2005 und 2006 eine Neuauflage in vier Paperbacks.

Seinen größten Erfolg feierte der Autor allerdings mit dem 1979 unter seinem richtigen Namen veröffentlichten Roman »Der Tag, an dem die Götter starben«. Bei dessen Grund-idee stand sein Freund Erich von Däniken mit seinen Theorien Pate; in ihm enträtselt eine Expedition das Geheimnis der Götter aus dem All.

Düsterer war die Grundstimmung in »Die neun Unbekannten« (1983): Eine Geheimorganisation, die auf technische Errungenschaften einer untergegangenen irdischen Frühzivilisation zurückgreifen kann, versucht, den drohenden Untergang der Menschheit abzuwenden.

1982 startete eine 24 Bände umfassende Taschenbuch-Edition, in der neben zwei neuen Romanen die besten Werke des Autors einer neuen Lesergeneration zugänglich gemacht wurden.

Nachdem Darlton 1992 mit Band 1622 seinen Abschied von der PERRY RHODAN-Serie genommen hatte, waren viele seiner Leser der Meinung, damit sei das Kapitel Clark Darlton abgeschlossen.

Die Überraschung war groß, als 2015 von seinem Sohn ein neuer Roman herausgegeben wurde, der bereits 1986 geschrieben worden war und die Drehbuchvorlage für eine nicht realisierte amerikanische Verfilmung bildete. »Time Splitter – Einstein‘s #(sic!)# Vermächtnis« ist ein turbulenter Zeitreiseroman, der alle Stärken des Autors widerspiegelt – und seine durch und durch humanistische Weltanschauung.

Insgesamt veröffentlichte der Wegbereiter der deutschen Science Fiction mehr als 300 Romane, die meisten davon für PERRY RHODAN, und rund drei Dutzend Kurzgeschichten. Clark Darlton – das war zweifellos der Mann, der die Science Fiction nach Deutschland gebracht hat.