Als die Science Fiction nach Deutschland kam – Teil 1 Hermann Urbanek schreibt über wichtige Werke des PERRY RHODAN-Gründungsautors Clark Darlton

11. Juli 2020

Der PERRY RHODAN-Roman 3068 enthielt einen PERRY RHODAN-Report, in dem der Autor Clark Darlton im Zentrum stand. Der Grund: Er wäre am 13. Juni 2020 hundert Jahre alt geworden. Einer der Beiträge stammte von dem Science-Fiction-Experten Hermann Urbanek – wir präsentieren ihn auch an dieser Stelle. Wegen seiner Länge kommt der Artikel in zwei Teilen: heute der erste, morgen der zweite Teil.

In den 1950er-Jahren etablierte sich im deutschen Sprachraum eine neue Form der phantastischen Literatur. Zwar hatte es hierzulande vorher bereits Zukunfts- oder utopische Romane gegeben. Die aber hatten, sieht man von propagandistischen Romanen über zukünftige Kriege ab, den Fokus zumeist auf technische Errungenschaften oder maximal Reisen im Sonnensystem gelegt.

Bei dieser neuen Form handelte es sich um die aus dem englischsprachigen Ausland importierte Science Fiction, die viel weitere Dimensionen von Raum und Zeit umfasste. Im Lauf der folgenden Jahre wurde der Begriff zum alleinigen Genrenamen für utopische Unterhaltungsliteratur. Maßgeblich für diese Entwicklung war Walter Ernsting alias Clark Darlton.

Ernsting hatte diese hierzulande unbekannte Variante des klassischen Zukunftsromans als Übersetzer für die britischen Besatzungsbehörden kennengelernt. Er wollte sie auch der deutschen Leserschaft bekannt machen. Ein offenes Ohr fand er bei Verleger Erich Pabel, was 1954 zunächst zum Start der Reihe UTOPIA-Großband und im folgenden Jahr zum UTOPIA-Sonderband und UTOPIA-Magazin führte. Für beide Publikationen reichte Ernsting Inhaltsvorschläge ein und fertigte Übersetzungen an.

Aber Ernsting wollte nicht nur gestalten. Er war überzeugt, dass er ebenfalls das Zeug zum Autor hatte. Der damalige Cheflektor Kurt Bernhardt lehnte es ab, in Ernstings Reihe deutschsprachige Autoren zu publizieren. So griff Ernsting zu einem Trick, der im gegenwärtigen Informationszeitalter nicht mehr möglich wäre: Er reichte seinen ersten Roman als Übersetzung des englischsprachigen Autors Clark Darlton mit einem fiktiven Originaltitel ein. Prompt wurde das Manuskript angenommen. Die Leserschaft nahm es begeistert auf.

In diesem Buch ging es um den Absturz einer fliegenden Untertasse auf der Erde. Durch das von den außerirdischen Besuchern übermittelte Wissen gelangen die Menschen, die den Fremden geholfen hatten, bis zum Sirius. Dank der Zeitdilatation kehren sie nur wenige Tage nach ihrem Aufbruch wieder zur Erde zurück.

Mit der Veröffentlichung von »UFO am Nachthimmel« war 1955 der Grundstein für eine der erfolgreichsten deutschen Science-Fiction-Schriftstellerkarrieren der Nachkriegszeit gelegt.

Sein zweiter Roman erschien noch im gleichen Jahr unter dem Titel »Der Mann, der die Zukunft stahl«. Darin kontaktiert ein Zeitreisender einen Wissenschaftler und ermöglicht ihm den Bau der ersten Weltraumrakete und den Flug zum Mars. Zeitparadoxa sorgen für einen glücklichen Ausgang des Unternehmens.

In beiden Werken zeigte Ernsting, mit welchen Themen er sich am liebsten auseinandersetzte: zum Einen mit dem Thema Zeit unter den unterschiedlichsten Gesichtspunkten. Zum Anderen mit dem Besuch Außerirdischer auf der Erde und den daraus resultierenden Ereignissen. Dabei nahm er die Theorien Erich von Dänikens um Jahrzehnte vorweg.

Um das Thema Zeit ging es auch in dem SF-Krimi »Befehl aus dem Dunkel« (1957) sowie in den Romanen »Die Zeit ist gegen uns« (1956) und »Raum ohne Zeit« (1957), welche die Zeitdilatation thematisierten. Für Ernsting stellte sie den größten Hemmschuh für interstellare Reisen dar. Infolgedessen landen die Raumfahrer im ersten Roman mehr als eine Million Jahre in der Vergangenheit, im zweiten stoßen die Protagonisten in ferner Zukunft auf eine von Menschen gegründete galaktische Union.

Besonders zu erwähnen sind aus dieser Schaffensperiode noch die Romane »Das ewige Gesetz« (1957, die Menschheit stammt von Raumfahrern ab) und »Das Leben endet nie« (1959) um das Thema Seelenwanderung. Außerdem der Zweiteiler »Und Satan wird kommen« (1956) und »Die Schwelle zur Ewigkeit« (1957), in dem die Menschheit vom Mond aus beobachtet und an der Entwicklung der Raumfahrt gehindert werden soll.

Ebenso bemerkenswert ist die aus »Attentat auf Sol«, »Zurück aus der Ewigkeit« und »Die galaktische Föderation« (alle 1958) bestehende Trilogie »Der galaktische Krieg«, in der Ernsting seine Lieblingsthemen »Zeitreise« und »außerirdischer Ursprung« miteinander vereinte. Mit dem Pilotband dieses Dreiteilers wurde die neue Reihe TERRA-Sonderband des Moewig Verlags gestartet.