Der Redakteur erinnert sich: Wir planten eine MYTHOR-Miniserie

3. Mai 2018

Im Frühjahr des Jahres 2000 sah es so aus, als würde sich der Moewig-Buchverlag grundsätzlich wandeln. Nachdem Eckhard Schwettmann zum Verlagsleiter des Buchbereiches ernannt worden war, hatte er einige Dinge geändert und angepasst – angefangen bei einer Modernisierung des Verlagslogos bis hin zu neuen Reihen.

Dazu zählte auch Moewig Fantastic, eine Reihe, mit der die phantastische Literatur stärker im Buchhandel verankert werden sollte. Ein Ziel war dabei unter anderem, alte Serien wie MYTHOR und DRAGON neu zu beleben. Ich witterte die Chance, endlich eines der Ziele zu verwirklichen, das ich mir schon zu Beginn der 90er-Jahre gesetzt hatte: Ich wollte neue MYTHOR-Romane veröffentlichen.

Also formulierte ich am 30. Mai 2000 ein Konzept für eine »MYTHOR-Mini-Serie«; damals schrieb ich das Wort »Miniserie« noch mit Bindestrich. Das Konzept war für die Verlagsleitung des Zeitschriftenbereiches gedacht und sollte dort auch mit der Vertriebsleitung sowie dem Marketing diskutiert werden.

Aus diesem Grund erklärte ich einleitend erst einmal die Hintergründe: Unter dem Titel »Zur alten MYTHOR-Serie« stellte ich die Zusammenhänge dar.

»Die Fantasy-Serie MYTHOR erschien in den frühen 80er Jahren, wurde zu dieser Zeit unter anderem von den PERRY RHODAN-Autoren geschrieben und gilt nach wie vor als die beste deutschsprachige Fantasy, die jemals publiziert wurde«, schrieb ich selbstbewusst und ignorierte bewusst Taschenbuchautoren wie Wolfgang Hohlbein. »Ab dem Spätsommer 2000 werden diese alten Romane in einer Buchausgabe im Weltbild-Verlag nachgedruckt.«

Ich wollte letztlich nichts anderes als einen Neustart von MYTHOR im Format eines Heftromans. Dabei wollte ich zuerst eine Miniserie starten, die auf zwölf Bände angelegt sein sollte. Ich orientierte mich an der ebenfalls zwölf Bände umfassenden ATLAN-Miniserie – wir hatten 1998 den »Traversan«-Zyklus veröffentlicht. Bei entsprechendem Erfolg könnte man eine solche Serie immer verlängern.

Als Serientitel würde ich MYTHOR beibehalten, aber ich schlug einen sehr klassisch klingenden Untertitel vor: »Kämpfer der Lichtwelt« dürfte die alten Leser der Serie »packen«, dachte ich zumindest.

Mir war klar, dass ich mit dem Begriff einer »Mini-Serie« nicht überall auf offene Ohren stoßen würde. Bei ATLAN hatte der Vertrieb darauf bestanden, dass man das Projekt als »Short-Serie« bezeichnete. Das Kürzel »Atlan-Short« war vom Vertrieb gewählt worden; ich hatte zwei Jahre lang über »Atlans Hort« gespottet, wollte diesen Fauxpas aber nicht noch einmal erleben.

»Mini-Serien sind im amerikanischen Comic-Markt ein weitverbreitetes Mittel, um neue Leser zu gewinnen«, erläuterte ich in meinem Papier. Es gäbe schließlich viele Leser, die nicht in eine »lange Serie« – »ongoing« nannten das die Amerikaner – einsteigen wollten. Mein Argument: »Sie wollen einen überschaubaren Rahmen, bei dem sie recht schnell die Lösung für das Geschehen haben und nicht – wie bei PERRY RHODAN – Jahre auf ein Zyklus-Ende warten müssen.«

Ich verwies auf die Sammler, die bei solchen kurzlebigen Serien gerne zugreifen würden, und versprach, man könnte die Serie bei Erfolg rasch fortsetzen. Zudem sei es möglich, nach demselben Rezept weitere Mini-Serien zu starten«.

Mit MYTHOR wollte ich nicht nur den »Bereich fantastische Literatur am Kiosk« ausweiten, sondern eine neue multimediale Marke aufbauen. Ich stellte mir vor, dass man mit MYTHOR auch CD-ROMS oder Computerspiele anstreben könnte, wenn es die Marke wieder im Handel gäbe. Der Verlag präsentiere sich mit einer neuen Serie als »innovativ und experimentierfreudig«, und die Redaktion sei somit auch in der Lage, neue Autoren und Zeichner zu  »testen«.

Beim Inhalt der neuen Serie, die ich im Frühjahr 2001 herausbringen wollte, setzte ich auf »Nummer Sicher«, Experimente wollte ich keine haben. Das formulierte ich auch entsprechend: »Der Inhalt der MYTHOR-Mini-Serie soll das klassische Fantasy-Abenteuer bilden; das heißt Action, Spannung, Abenteuer. Mythor soll als Einzelkämpfer und Held in den Vordergrund gestellt werden, der positive Werte in einer barbarischen Umgebung vertritt; eine ideale Identifikationsfigur für die Leser also. Erotik spielt in den Romanen eine dezente Rolle.«

Für die weitere Ausgestaltung der Serie wollte ich exklusive Titelbilder – also keine Nachdrucke alter Motive, ein Leser-Magazin und Innenillustrationen. Ich machte mir natürlich auch Gedanken über die Autoren: Neben früheren MYTHOR-Autoren, die auch den PERRY RHODAN-Lesern ein Begriff waren, wollte ich neuen Schriftstellern eine Chance geben. Im Konzept nannte ich aber nur bekannte Namen wie Hubert Haensel, Horst Hoffmann, Ernst Vlcek und Hans Kneifel, neuere ließ ich weg. Selbstverständlich lieferte ich auch einen Überblick zu den möglichen Kosten, damit der Vertrieb und die Verlagsleitung kalkulieren konnten.

Mein Konzept hatte ich nicht nur in den luftleeren Raum geschleudert, ich hatte es zuvor intern besprochen, unter anderem mit Eckhard Schwettmann, der zu dieser Zeit den Buchverlag leitete. Im Zeitschriftenbereich hatte ich allerdings keinerlei Erfolg. »Fantasy ist ein rein temporäres Phänomen«, wurde mir erläutert, und Miniserien seien nicht interessant.

So geschah es, dass mein Konzept einer MYTHOR-Miniserie nie umgesetzt wurde. Es diente aber als »Blaupause« für die späteren ATLAN-Miniserien und sogar später für Miniserien wie PERRY RHODAN-Stardust. Ganz umsonst war das Konzept vom Frühjahr 2000 also nicht …

Klaus N. Frick

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