Der Redakteur erinnert sich: Wie Götz Roderer zu seinem Taschenbuch kam

20. August 2018

Zu Beginn der 90er-Jahre befanden sich die PERRY RHODAN-Taschenbücher in einer Zeit der Umwälzung. Als Chefredakteur wollte Dr. Florian F. Marzin neuen Autoren eine Chance geben. Also veröffentlichte er beispielsweise eine Kurzgeschichtensammlung oder hievte Manuskripte von Susan Schwartz oder Martin Schlesinger ins Programm.

Für junge Autorinnen und Autoren gab es also Grund zur Annahme, bei den PERRY RHODAN-Taschenbüchern eine Chance zu haben. Ich versuchte es zu Beginn der 90er-Jahre mit einem Manuskript – ein anderer Autor, der dasselbe versuchte, war Götz Roderer.

Bereits im September 1991 hatte der damals in Würzburg lebende Autor ein Manuskript vollendet. Seine PERRY RHODAN-Geschichte hatte mittlerweile die Länge eines Romans erreicht. Der junge Mann, der zu dieser Zeit mit Diplomprüfungen und seiner Diplomarbeit beschäftigt war, schickte das Manuskript mit dem Arbeitstitel »Halo 1146« an die Verlagsunion Pabel-Moewig, adressierte an »Sehr geehrte Redaktion« und erhielt erst einmal keine Antwort. Nachdem er einige Zeit lang nichts gehört hatte, fragte er nach, wo denn das Manuskript verblieben sei.

Es landete schließlich in der PERRY RHODAN-Redaktion. Am 23. Januar 1992 schrieb Dr. Florian F. Marzin, der damalige Chefredakteur, eine eigentlich positive Mail an den jungen Autor: »Zuerst muss ich Ihnen bestätigen, dass Ihre Arbeit stilistisch ohne Tadel ist, doch gerade die überaus langen diskriptiven Passagen wirken auf den Leser ermüdend.«

Die Handlung komme nicht voran, es fehle auch »jedes spannende Element«; der Chefredakteur vermisste auch »zündendere Dialoge« und Action. Aus diesem Grund wollte er das Manuskript nicht veröffentlichen, attestierte dem Autor aber »durchaus Talent zum Schreiben«.

Viele Menschen wären an dieser Stelle sicher enttäuscht gewesen und hätten aufgegeben. Nicht so Götz Roderer – das Aufgeben war für ihn keine Option. Er überarbeitete sein Manuskript noch einmal und schickte es am 28. Dezember 1992 an den Verlag. Weil er wieder nicht die Redaktion angegeben hatte, dauerte es einige Zeit, bis das Manuskript in der richtigen Abteilung eintraf.

Ich war seit Anfang November unter anderem für die Taschenbücher zuständig, bekam es aber nicht sofort auf den Tisch. Das Manuskript kam erst einmal zu unserem Chefredakteur. Am 9. März 1993 bohrte der Autor nach, dann landete das Manuskript bei mir. Weil mir die ganze Sache ein wenig peinlich war – die Odyssee des Autors und seines Manuskriptes ließ sich im Korrespondenz-Ordner nachvollziehen –, schickte ich ihm rasch ein cover_gotz_roderer.jpgBestätigungsschreiben und machte mich an die Lektüre.

Der Roman sprach mich von der ursprünglichen Idee her an. Ich mochte die Zeit des Cantaro-Zyklus und fand, dass die Autoren ab Band 1400 eine spannende Epoche in der PERRY RHODAN-Serie eingeleitet hatten. Bei vielen Besprechungen forderte Marzin mehr »Härte, Action, Sinnlichkeit« in den Romanen – das meinte er nicht ernst, aber sein Wunsch war tatsächlich, mehr Spannung in die Geschichten zu bringen.

Das bot »Halo 1146«. Götz Roderer schaffte es, die Besatzung von TSUNAMI-Raumschiffen in eine actionreiche Geschichte voller Verwicklungen und Abenteuer zu versetzen. Im Halo der Milchstraße – deshalb der Titel – entwickelte sich eine dramatische Handlung, die sich vor allem dann steigerte, als der Autor Roi Danton ins Spiel brachte.

Perry Rhodans Sohn war eine Figur, die ich mochte. Die Widder als Geheimorganisation mochte ich ebenfalls. Und das Jahr 1146, in das der Autor letztlich die hauptsächliche Handlung seines Romans packte, war für mich eine Zeit voller Umbrüche. In meinen Augen machte er sehr viel sehr richtig. Das fand ich gut, und so rief ich den Autor an.

Wir sprachen sein Manuskript am Telefon durch; ich nannte positive und weniger positive Dinge und zeigte, was mir wie gefallen hatte. Wenige Tage später – am 7. April 1993 – verfasste ich einen drei Seiten langen Brief. Damit wollte ich »einige im Gespräch gemachte Aussagen brieflich vertiefen«.

Die wichtigste Nachricht für den Autor: Seinen Roman wollte ich auf jeden Fall publizieren, geplant war ein Erscheinungstermin im Mai 1994. Allerdings sollte er ihn ein weiteres Mal bearbeiten. (Als Götz das hörte und später auch las, dürfte er nicht gerade begeistert gewesen sein.) Damit ihm klarer wurde, was ich kritisieren wollte, packte ich die ersten Seiten seines Manuskriptes mit Anmerkungen von mir bei.

Ich bat den Autor, die nächste Version seines Manuskriptes bitte »in einem zweizeiligen Ausdruck« zu liefern, »damit einige Korrekturen leichter fallen«. Als Termin nannte ich ihm den 20. Mai 1993. Und ich stellte ihm die Frage, ob er unter echtem Namen oder unter einem Pseudonym schreiben wolle. Götz Roderer fand ich als Namen nicht sonderlich spannend, aber der endgültige Name sei seine Entscheidung.

Zu kritisieren hatte ich vor allem viel Kleinkram. Der Autor hatte einige Schwächen bei der Rechtschreibung, ich mäkelte an den Raumschiffen herum und fand seine Charakterisierung der Hauptfigur an manchen Stellen zu bemüht. Auch den einen oder anderen dramaturgischen Bestandteil seines Romans fand ich nicht optimal gelöst.

Bereits am 15. April meldete sich der Autor zurück, er freute sich sehr. Und am 21. Mai lieferte er das komplett bearbeitete Manuskript bei mir ab. Ich musste es nur noch bearbeiten – das war gut zu machen.

Aber ich war mir zu diesem Zeitpunkt sicher, mit »Halo 1146« einen richtig guten PERRY RHODAN-Roman für unser Taschenbuchprogramm »eingekauft« zu haben …

 

Klaus N. Frick