Der Redakteur erinnert sich: Mein erster MiniCon

20. September 2013

Als ich am Samstag, 19. April 1980, mein Fahrrad bestieg, um von meinem Heimatdorf loszufahren, ahnte ich noch nicht, wie sehr ich mit dieser Reise mein Leben verändern sollte. Zwar hatte ich die ernsthafte Absicht, etwas Gutes für die Science Fiction im Allgemeinen und mein Ego im Besonderen zu tun – dass ich aber letzten Endes einen wichtigen Schritt für meine spätere »Fandom-Karriere« zurücklegen sollte, war mir damals nicht bewusst.

Ich war 16 Jahre und einige Monate alt, ich hatte die erste Ausgabe meines Fanzines SAGITTARIUS veröffentlicht, und ich hatte im Verlauf des vergangenen Jahres zahlreiche Kontakte geschlossen. Einige Fan-Zeitschriften hatten Science-Fiction-Kurzgeschichten, Leserbriefe und kleine Artikel von mir veröffentlicht – aber ich hatte bisher praktisch keinen Fan kennengelernt. Das sollte sich jetzt ändern!

Meine Familie wohnte in einem Dorf bei Freudenstadt, also im Schwarzwald, und meine erste Fan-Reise sollte nach Nagold führen, zu einer anderen Kleinstadt im Schwarzwald. Die Strecke führte über bergig-kurvige Straßen, die meiste Zeit durch den Wald oder ziemlich langweilige Dörfer. Mit meinem Vater hatte ich sie gelegentlich zurückgelegt, weil wir wegen eines Baustoffhandels in Nagold gewesen waren; jetzt aber war ich allein unterwegs.

Zwar benutzte ich damals noch nicht den Begriff »cool«, aber der Grund, warum ich das Fahrrad nahm, hatte etwas mit dem zu tun, was man heute als »Coolness« bezeichnen würde: Ich wollte eigenständig reisen, ich wollte nicht mit dem Bus fahren, und ich wollte mich vor allem nicht von meinem Vater transportieren lassen. Dieser hatte mir zwar angeboten, mich über die Distanz von rund dreißig Kilometern zu fahren, aber ich hatte stolz abgelehnt.

Und so brach ich an diesem Vormittag auf: mit meinem gelben Fünf-Gang-Rad, mit vergleichsweise leichter Kleidung – es war ein warmer Frühjahrstag – und mit viel guter Laune. Ich kam gut voran, und ich benötigte für die Strecke nicht viel länger als eineinhalb Stunden. Praktisch zur Mittagszeit war ich in Nagold, wo ich noch einen letzten Berghang bewältigen musste, dann aber vor dem Haus meines Brieffreundes Frank stand.

Der kleine Con, als den wir die Versammlung von drei Jugendlichen bezeichneten, hatte einen Grund, den wir damals wichtig fanden. Wir hatten nicht weniger vor, als die Zersplitterung der deutschsprachigen Fan-Szene aufzuheben. Wir waren alle seit kurzem im Fandom, hatten alle unsere kleinen Clubs gegründet und waren mittlerweile in größere Fan-Vereinigungen eingetreten; jeder von uns machte ein eigenes Fanzine, und wir stellten fest, dass es zahlreiche Fraktionen gab, die sich teilweise ebenso sinnlos wie erbittert bekämpften.

Damit sollte bald Schluss sein. Erst im Vorjahr hatte das ein anderer Jugendlicher versucht: Peter aus Vaihingen, einer weiteren Kleinstadt in Baden-Württemberg. Peter hatte den PERRY RHODAN-Club Deutschland (PRCD) ins Leben gerufen, in den – so dachte er wohl – alle PERRY RHODAN-Fans eintreten sollten. Das aber taten nur wenige, und so dümpelte sein Verein auf vergleichsweise kleiner Ebene vor sich dahin. Immerhin aber hatte er vor, einen großen Fan-Kongress zu veranstalten: den VaiCon des PRCD in seiner Heimatstadt in einem Monat. Bis dahin, so dachten Frank und ich sowie der Dritte im Bunde, wollten wir mit unseren Plänen weiter sein und uns entsprechend präsentieren.

Robert kam aus der Gegend von Heilbronn, und reiste mit der Bahn an, wurde von Franks Eltern dann am Bahnhof abgeholt. Wir fühlten uns als Vertreter von durchaus respektablen Fan-Vereinigungen: Ich kam von der Redaktion SAGITTARIUS, die im Wesentlichen aus mir allein und einigen selten mithelfenden Schulfreunden bestand; Frank stand dem Science-Fiction- und PERRY RHODAN-Club Gucky II vor, während Robert für den Science-Fiction- und PERRY RHODAN-Club Minisolar sprach.

Nicht anwesend war Uwe, der irgendwo in Norddeutschland lebte, aber mit Frank und Robert in engem Kontakt stand und von dem der Begriff »Club-Kontakt-Netz« stammte. Er kam vom PERRY RHODAN-, Science-Fiction-, ATLAN-, Fantasy-Club Starcenter 54, und ich lernte ihn auch später nie kennen.

Wahrscheinlich bestanden die Clubs in erster Linie aus ihren Gründern sowie einer Handvoll von Freunden – später entwickelten sich aus Roberts Club immerhin zwei sehr unterschiedliche und recht gelungene Fanzines. In jenem April 1980 hätte ich mich nicht getraut, ernsthafte Fragen nach solchen Zusammenhängen zu stellen.

Franks Mutter servierte uns ein Mittagessen, das mir gut schmeckte, das ich aber sehr ungewöhnlich fand. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich entweder bei meinen Eltern, bei meinen Verwandten oder in irgendwelchen Landgasthöfen gegessen – da schmeckte alles gutbürgerlich-schwäbisch. Bei Franks Eltern gab es andere Gerichte; ich erinnere mich bis heute daran, dass ich die süßliche Salatsoße zwar mochte, sie mich aber gleichzeitig sehr verwunderte.

Nach dem Essen verschwanden wir drei Jungs in Franks Jungenzimmer. Ich kann mich nicht erinnern, ob ich zwischendurch bei meinen Eltern daheim anrief; viel spannender für mich war sowieso der sogenannte MiniCon. Am Ende stand immerhin der Plan, das sogenannte Club-Kontakt-Netz ins Leben zu rufen, eine Vereinigung für alle Science-Fiction- und PERRY RHODAN-, und ATLAN- und »Ren Dhark«- und »Terranauten«-Fans. Doch wie es weiterging, das erzählt eine andere Geschichte ...

(Übrigens: Da ich nicht weiß, wie die Brief- und Fan-Freunde von früher heute zu unseren jugendlichen Taten stehen, habe ich auf die Angabe der Nachnamen verzichtet.)





Klaus N. Frick