Der Redakteur erinnert sich: Ideen zu Magellan

27. August 2015

Nicht immer können alle Ideen verwirklicht werden, die in einer Redaktion oder in einem Autorenteam ausgeheckt werden. Ohne Vorschläge und Anregungen lässt sich eine Romanserie zwar kaum steuern, die Exposéautoren können aber nicht jedes Konzept in ihren Weltenbau einarbeiten. Das bekam ich im Mai 2004 zu spüren, als ich mir einige Ideen ausdachte, von denen ich hoffte, dass wir es sinnvoll einsetzen könnten.

Robert Feldhoff hatte neue Exposékonzepte geschickt. Die Handlung des laufenden Sternenozean-Zyklus sollte sich für mindestens vier Bände – wahrscheinlich sogar acht oder mehr – in die Magellanschen Wolken verlagern. Zur Unterstützung der Exposés hatte Rainer Castor umfangreiche Arbeitspapiere und Datenblätter angefertigt. Die Romane sollten die Bandnummern ab 2256 tragen und die Abenteuer einer terranischen Expedition schildern.

Wie immer vertiefte ich mich in die Lektüre dieser Arbeitsblätter und staunte über die Datenfülle, die der Autor vor mir ausbreitete. Auch die Daten fand ich faszinierend. Vieles von dem, was Rainer Castor zusammengestellt hatte, kannte ich bereits oder hätte ich theoretisch kennen können – in Wirklichkeit hatte ich viele Details längst vergessen. Ich überlegte mir aber, was wir von diesen interessanten Dingen eigentlich den Lesern präsentieren könnten.

»Unsere Leser interessieren sich sehr für den Kosmos, wollen von den Wundern des Alls träumen«, schrieb ich Robert Feldhoff. Wie wäre es denn, so meine Überlegung, wenn wir einen sehr wichtigen Planeten als Handlungsort wählen würden, der am Rand der Großen Magellanschen Wolke liegt. Meine Frage: »Wie sieht in diesem Fall beispielsweise der Nachthimmel aus? Wie eindrucksvoll sieht man die Milchstraße, wie deutlich flammen beispielsweise nahe gelegene Kugelsternhaufen auf?«

Innerhalb der Großen Magellanschen Wolke gibt es – auch in der realen Astronomie – die Sternenballung Hodge 301, von mir stets als »Hodge-Ballung« bezeichnet. Dieser Sternhaufen ist rund 25 Millionen Jahre alt, er ist also vergleichsweise jung, und in ihm entstehen ständig neue Sterne. Das regte meine Phantasie an.

»Wie wäre es, wenn es in dieser explosiven Wolke eine Reihe von Sonnen gäbe, in denen Hyperkristalle ›ausgebrütet‹ werden?«, überlegte ich. Damit hätten wir eine sinnvolle  Verbindung aus aktuellen Handlungsproblemen – Hyperkristalle für die terranische Raumfahrt – und spannender Handlung: »Die Terraner sind geradezu gezwungen, hier Stützpunkte zu errichten, um von hier aus mit Howalgonium zu handeln.«

Darüber hinaus überlegte ich mir, ob man einen Bezug herstellen könnte zwischen der Ballung und uralten kosmischen Konflikten, die 18, 20 oder 25 Millionen Jahre in der Vergangenheit liegen könnten. Ich fand, das sei »eine faszinierende Sache für die Leser, die auf eine Verbindung von aktueller Physik/Astronomie zu unserer Serie hoffen«.

Außerdem schlug ich vor, die Akonen in der Serie verstärkt auftauchen zu lassen, auch und gerade in Magellan. Ich mochte die Akonen schon immer und fand, dass sie in der PERRY RHODAN-Serie zu oft auf die Rolle des intriganten Schurken reduziert worden waren. Ein Volk, das eine so lange zurückreichende Geschichte von über 20.000 Jahren hatte, konnte sich aber nicht dauerhaft in einem sinnlosen Konflikt mit der Menschheit verstricken – da mussten doch Langzeitpläne her.

»Wie wäre es, wenn die schon in Magellan aktiv wären?«, überlegte ich. Die Akonen könnten auf uralte Transmitterstraßen zurückgreifen, »die vor 15.000 Jahren oder so bereits errichtet wurden und halb in Vergessenheit gerieten«. Die Akonen könnten bereits dabei sein, die Hyperkristalle direkt aus der Hodge-Ballung zu bergen. »Damit verändert sich auch das wirtschaftlich-politische Gleichgewicht in der Galaxis«, überlegte ich weiter.

Ein wenig abwegig empfand ich die abschließende Idee zwar auch, aber ich fand sie reizvoll. »Wir sollten zumindest mal darüber nachdenken, inwiefern es aus marketing-technischer Sicht sinnvoll sein könnte, eine Varganin – etwa Kythara aus der ATLAN-Miniserie – in der PR-Handlung auftauchen zu lassen.«

Ich erinnerte Robert daran, dass laut der Geschichtsschreibung im Perryversum die Varganen vor etwa 800.000 Jahren in unser Universum gekommen seien. Vielleicht könnte man das mit weiteren Rätseln der PERRY RHODAN-Historie verknüpfen, so meine Überlegung: »Sind sie auf einer Universellen Schneise gereist, die hilft, die Barriere zwischen Universen zu überbrücken? Haben sie Stationen hinterlassen, mit denen unsere Helden arbeiten können?«

Als wir die unterschiedlichen Themen am Telefon durchsprachen, blieb Robert Feldhoff einigermaßen reserviert. Das war nicht unüblich: Meist entnahm er einer Mail mit Ideen oder einem ganzen Ideenpapier nur die Vorschläge, die in sein Konzept passten und die er durch eine klare Übernahme zu »seinem eigenen Ding« machen konnte. Immerhin war er nicht ablehnend – aber das war er sowieso nie.


Er wolle schauen, was er von den Vorschlägen verwirklichen könne. Das mit der Hodge-Ballung sehe er allerdings gar nicht, das gehe in die falsche Richtung: weg von dem Konflikt mit Gon-Orbhon, hin zu einer ganz anderen Geschichte. Das gelte auch für die Akonen und Varganen; diese Ideen stellte er nicht ins Abseits, aber er gab ihnen keine echte Chance.


Und der Nachthimmel über Magellan – »das müssen sich die Autoren ausdenken, alles können wir nicht ins Exposé schreiben«. So kam es, dass auch mal eine Ideenflut des Redakteurs vom Chefautor schlichtweg ignoriert wurde ...

 

Klaus N. Frick