Der Redakteur erinnert sich: Hubert Haensel kommt ins Autorenteam

30. August 2017

Im Frühjahr 1994 wurde immer klarer, dass wir bei PERRY RHODAN eine Verstärkung brauchten. Junge Autoren wie Robert Feldhoff, Arndt Ellmer und Horst Hoffmann sorgten für Kontinuität, erfahrene Kollegen wie Ernst Vlcek, H. G. Francis und Peter Griese hielten ebenfalls die Serie auf Kurs.

Doch die Tatsache, dass Kurt Mahr im Vorjahr gestorben war, machte uns ebenso zu schaffen wie der Umstand, dass Clark Darlton angekündigt hatte, keine Romane mehr schreiben zu wollen. Darüber hinaus interessierte sich H. G. Ewers für andere Themen, hatte eine weitere Ausbildung begonnen und würde weniger Romane als bisher verfassen.

Es war klar, dass wir mit der wöchentlichen PERRY RHODAN-Serie, den monatlichen Taschenbüchern und den von mir immer wieder angedachten Sonderproduktionen bald in einem echten Engpass stehen würden. »Wir brauchen einen zusätzlichen Autor«, argumentierte ich in mehreren internen Besprechungen mit Dr. Florian F. Marzin, unserem Chefredakteur.

Er war wie immer skeptisch. »Wen willst du nehmen?« Bei den meisten Autoren, über die wir sprachen, hatte er Einwände; er fand sie nicht gut genug oder meinte, sie seien »doch schon lange ausgeschrieben«. Bei einem Namen horchte er allerdings auf.

Ich sprach von Hubert Haensel. Dieser hatte uns kurz davor in der Redaktion besucht; Sabine Bretzinger und ich hatten lang mit ihm geredet. »Um den heißen Brei herum«, hatte mir Sabine hinterher vorgeworfen. »Das ist doch ein hervorragender Autor, er würde sicher gern für uns schreiben, und den lässt du einfach wieder so aus dem Büro?«

tl_files/comic/images/team/autoren/haensel.jpgIch wusste, dass Hubert gut schreiben konnte und vor allem auch die Termine im Blick behielt; ich wusste ebenfalls, dass er konzeptionell arbeiten konnte. Seine ATLAN-Heftromane in den 80er-Jahren hatte ich gern gelesen, bei einigen PERRY RHODAN-Taschenbüchern war ich sein Lektor gewesen.

Er hatte die Heftromanserie »Die Abenteurer« für den Bastei-Verlag konzipiert und einen Teil der Bände geschrieben. Was ich von der Serie mit dem schönen Untertitel »Auf der Suche nach den letzten Rätseln der Erde« gelesen hatte, war mir stets sympathisch gewesen: unterhaltsame Heftromane mit kniffligen Ideen und guten Charakteren. So etwas mochte ich. Dass der Autor darüber hinaus haufenweise Verweise auf andere Serien eingebaut hatte, fand ich ebenfalls amüsant und unterhaltsam.

»Wir brauchen bald den neuen Autor«, drängte ich. »Wenn wir in den neuen Zyklus starten, ist es gut, wenn uns jemand zusätzlich unterstützen kann.« Hubert kannte die Serie, er bewegte sich hervorragend im PERRY RHODAN-Universum, und man müsste ihm sicher nicht jedes Detail erklären. »Wenn er über Gucky schreiben soll, muss er nicht vorher ins Lexikon schauen.«

Das alles trug ich vor, und unser Chefredakteur gab mir freie Hand. Ein längeres Telefonat mit Hubert Haensel folgte, in dem ich einige Eckpunkte festlegte; ich sprach auch mit Ernst Vlcek, dem Exposéautor, über einen ersten Roman, den Hubert schreiben könnte. »Ein Roman, mit dem er brillieren kann«, war mein Wunsch, »idealerweise einer, mit dem er eine neue Figur einführt, die dann für den weiteren Verlauf des Zyklus wichtig wird.«

Am 24. Juni 1994 entwarf ich ein Schreiben an das damalige Autorenteam, in dem ich auf zwei Dinge hinwies: »Nach reiflicher Überlegung hat sich die Redaktion entschlossen, das Autorenteam um einen Kollegen aufzustocken«, formulierte ich. »Grund dafür sind die häufigen terminlichen Engpässe in letzter Zeit und unsere Überzeugung, daß ein bißchen ›frischer Wind‹ der Serie nicht schaden kann.«

Ich nannte den Namen des Autors und verwies auf seine bisherige Laufbahn. Und weil ich mir nicht sicher war, wie mancher der »Altautoren« auf den Neuling reagieren würde, fügte ich hinzu: »Auch die Expo-Factory ist der Ansicht, diese Zusammenarbeit könnte sehr harmonisch und befruchtend für beide Seiten sein.«

Mein Schreiben endete im Wesentlichen mit dem Satz: »Herzlich willkommen im Team, lieber Hubert!« Dass ich in der Zwischenzeit mit Ernst Vlcek schon einige Schritte weitergekommen war, wussten die Kollegen zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Der Hamamesch-Zyklus wurde in jenen Tagen erst so richtig entwickelt. Weil es eine Reihe von Unstimmigkeiten bei der Exposéarbeit gab, wurde die Konzeption gleich mehrfach umgeworfen. Das bekamen die Autoren nicht unbedingt zu spüren, aber es machte die Planung für die Redaktion recht schwierig.

Als Hubert Haensel sein Exposé für den Band 1752 erhielt, wussten wir noch nicht viel über die Struktur der Galaxis Hirdobaan, wir hatten keinerlei Ahnung von den eigentlichen Hintergründen oder worum es sich um den geheimnisvollen Gomasch Endredde handelte. Wir wussten eigentlich nur, dass das Zentrum der Galaxis abgeschirmt sein sollte, dass es Oktanten gab und die Herrschaftsclique eigentlich auch nicht alles wusste. Der Autor bekam ein Exposé, das in einer farbenprächtigen Geschichte vor allem die sogenannten Imprint-Süchtigen vorstellen sollte.

Der Autor musste zudem die Crypers in die Handlung bringen, die Piraten von Hirdobaan, eigentlich also Banditen, die aber zu Freunden der Menschen werden sollten. Das gelang ihm sehr gut, und ich war danach sehr froh, mit Hubert Haensel in die Zusammenarbeit eingestiegen zu sein. Sein Roman erschien am 23. März 1995 unter dem Titel »Als Rebell geboren« – und ich habe die Zusammenarbeit mit ihm nie bereut.
 

Klaus N. Frick