Der Redakteur erinnert sich: Ein WeltCon-Tag in Saarbrücken

22. Mai 2018

Der Samstag, 6. September 1986, begann mit einer echten Show, zumindest für die Tausende von PERRY RHODAN-Fans, die zu diesem Ereignis nach Saarbrücken gefahren waren. Linda Ivanus, die Chefin der Abteilung Public Relations der Verlagsgruppe Pabel-Moewig, betrat die Bühne und begrüßte die Con-Besucher. Als Co-Moderator hatte sie Clark Darlton mitgebracht – der PERRY RHODAN-Autor war immer ein Garant für hervorragende Stimmung.

Die beiden leiteten in das eigentliche Programm ein. Sie holten die Autoren und Con-Teilnehmer auf die Bühne, immer wieder dröhnte lauter Beifall durch die Halle. Trockeneisnebel wallten ständig über die Bühne, deren Aufbauten ihr tatsächlich das Aussehen eines fremden Planeten verliehen. Begrüßt wurden Fan-Delegationen aus Japan und Italien, als Großbritannien und Frankreich, den Niederlanden und Belgien.

Direkt danach kam ein Vortrag, auf den die meisten Besucher wohl schon lange gewartet hatten. Kurt Mahr und Ernst Vlcek, die beiden Exposéautoren der PERRY RHODAN-Serie, stellten die nahe und ferne Zukunft der Serie vor. Im Saal herrschte gespannte Stille, während die beiden Autoren ihre kosmische Vision verkündeten.

Sie erzählten vom Moralischen Kode, der das Universum durchzieht, von der kosmischen Evolution, von Superintelligenzen und Materiequellen, von Kosmischen Nukleotiden und gigantischen Zusammenhängen über Raum und Zeit hinweg. Da beide Autoren ein spezielles Deutsch sprachen – Kurt Mahr hatte einen amerikanischen Einschlag entwickelt, bei Ernst Vlcek klang immer Österreichisch mit –, entwickelte der Vortrag einen gewissen Sog, der die Zuschauer eineinhalb Stunden lang fesselte.

Obwohl der Vortrag gut eineinhalb Stunden dauerte, verließ niemand den Saal. Von meinem Platz hinter der Bühne aus hörte ich ebenfalls gespannt zu. Auch wenn ich zu dieser Zeit im Verlag arbeitete, hatte ich keine Kenntnis von den Konzepten der Autoren. Mein Job war der eines Public-Relations-Assistenten – so stand es im Arbeitsvertrag –, der mit der eigentlichen Arbeit des Lektorats und der Redaktion nichts zu tun hatte.

Danach wurde die Autogrammstunde vorbereitet, und ich nutzte die Chance, mich ein wenig umzusehen. Die Autoren setzten sich in einer Reihe hin, die Fans stellten sich in einer endlos erscheinenden Schlange an. Mein Auftrag lautete, mich danach um das Ehepaar Scheer zu kümmern. Das würde also danach kommen – während der Autogrammstunde hatte ich nichts zu tun.

Im Eingangsbereich hatte der Ansturm längst nachgelassen. Ich schaute mir an, was es eigentlich als »Space Package« gab. Schließlich hatte ich in den Werbetexten, die ich geschrieben hatte, immer wieder auf das tolle Paket hingewiesen, das es geben würde. Tatsächlich enthielt es außer einem Infoblatt zum Programm vor allem Werbung. Das enttäuschte sogar mich. An diesem Tag nahm ich mir vor: Falls ich jemals in die Lage geraten würde, selbst einen großen Con zu organisieren, würde es auf jeden Fall ein schönes Buch oder zumindest eine Zeitschrift geben.

Beim Verkaufsstand des »Ex-Press-Versands« traf ich auf Armin Reichrath. Mit ihm und einigen anderen Bekannten gab ich in diesen Jahren die Zeitschrift »Sagittarius« heraus. Unser Heft war das einzige Science-Fiction-Heft, das man auf diesem Con kaufen konnte – angesichts der Tatsache, dass es sowieso nur einen einzigen Verkaufsstand gab, hatten wir so einen riesigen Vorteil gegenüber anderen Kleinverlagen und Magazinmachern.

Armin war trotzdem sauer. »Die haben das aktuelle Heft aus dem Verkauf genommen«, berichtete er, »wegen Verunglimpfung religiöser Gefühle.« Zuerst lachte ich, dann verstand ich. Die aktuelle Ausgabe elf unseres Heftes hatte als Thema »Religion« auf dem Titel stehen. Entsprechend kritisch gingen die Kurzgeschichten und Artikel unter anderem mit der christlichen Religion um. Der streng gläubige Geschäftsführer des Versands hatte in dieser Hinsicht keinerlei Spaß verstanden und diese Ausgabe vom Stand verbannt.

Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Es nutzte aber nichts, sich zu sehr darüber zu ärgern. Aber da sich in diesen Augenblicken ohnehin mein Beruf mit meinen privaten Interessen vermischte, konnte ich gleich »Nägel mit Köpfen« machen. Ich beschloss, die parallel verlaufende Science-Fiction-Börse zu besuchen.

Eigentlich war ich sowieso schuld daran. Als ich erfahren hatte, dass es während des WeltCons keine Verkaufsbörse geben würde – unter anderem aus Platzgründen –, hatte ich Walter Arweiler angesprochen. Der Science-Fiction-Fan wohnte in Saarbrücken, er war oft auf Flohmärkten unterwegs, wir arbeiteten an »Sagittarius« zusammen, und ich wusste, dass er geschäftstüchtig war. Ich informierte ihn über die mangelnde Verkaufsfläche in der Halle, und er meinte, da könne er »etwas machen«.

Auf dem Weg von der Saarlandhalle zur Verkaufsbörse kamen mir PERRY RHODAN-Fans entgegen, die Plastiktüten mit Heftromanen trugen. Sie hatten sich bereits mit Lesestoff versorgt. Vor der Halle hatte Walter schon am frühen Morgen seine Flugblätter verteilt und die Fans zu Dutzenden zu »seiner« Verkaufsbörse gelockt.

Einige hundert Meter war ich schon am Ziel. In einem öffentlichen Gebäude hatten sich mehrere Händler versammelt. Bananenkisten, in denen Heftromane und Taschenbücher auf Käufer warteten, stapelten sich bis fast zur Decke. Es war ein Paradies für PERRY RHODAN-Leser, die in diesem Raum für »kleines Geld« ihre Sammlungen vervollständigen konnten.

Mit breitem Grinsen sah ich zu, wie Berge von Heftromanen und Taschenbüchern den Besitzer wechselten. Walter Arweiler strahlte vor Begeisterung, und auch die Fans freuten sich, auf diese Weise ihre Schnäppchen machen zu können.

Leider konnte ich nicht lange bleiben. Ich wusste, dass Karl-Herbert Scheer auf mich wartete ...

 

Klaus N. Frick