Der Redakteur erinnert sich: Ein Jour Fixe zu NEO

7. April 2015

Der Freitag, 13. Oktober 2006, war kein Tag, an dem auffällige Dinge geschahen. Aber ich hatte eine meiner regelmäßigen Besprechungen mit der Verlagsleitung. Dabei kamen viele Themen auf den Tisch, die erst später verwirklich werden konnten.

Unter anderem ging es um ein Projekt, das mir sehr am Herzen lag. Ich nervte seit Jahren viele Stellen in der »oberen Etage« mit meinem »PERRY RHODAN Newborn«. Im Rahmen der Besprechung im Oktober 2006 wollte ich mal wieder eine Entscheidung – oder ich wollte zumindest klare Hinweise darauf erhalten, in welcher Weise ich weitermachen konnte.

Mein Plan umfasste eine Neuerzählung der PERRY RHODAN-Serie. Ich wollte die klassische Geschichte nehmen und sie »mit den Mitteln und den Autoren von heute« quasi neu erfinden. Damit wollte ich neue Leser ansprechen und der Stammleserschaft einen frischen Blick auf die Klassiker geben. Wenn ich davon erzählte – wie beispielsweise bei dieser Besprechung–, bemühte ich stets die Vergleiche mit den amerikanischen Comic-Serien.

»Batman« oder »Spider-Man«, so argumentierte ich gern, seien immer wieder neu erfunden worden. Man habe alle paar Jahre die klassischen Geschichten genommen und sie in ein frisches Gewand gekleidet. Das müsste man mit PERRY RHODAN auch tun. An diesem Freitag hatte ich wichtige Argumente in ausgedruckter Form auf meiner Seite.

»Frank Borsch hat geliefert«, berichtete ich stolz. »Er hat einen möglichen Anfang geschrieben, und der ist richtig klasse. Er stellt die Mondlandung des amerikanischen Raumfahrers Perry Rhodan nicht ins Jahr 1961, sondern ins Jahr 2036 – und von dort aus erzählen wir alles neu.« Ich war sehr zufrieden mit Franks erstem Manuskript-Vorschlag. Sowohl Frank als Autor wie auch ich als Redakteur wussten allerdings, dass es ein erster Entwurf war und noch lange nichts komplettes.

Mit der Verlagsleiterin diskutierte ich zum wiederholten Mal durch, welche Möglichkeiten es gab, eine solche »Newborn«-Serie zu machen: Man könnte die klassischen Romane eins zu eins bringen, um sie dann mit einem Nachwort zu ergänzen – eine klassische »sechste Auflage«. Man könnte aber auch die Originalromane nehmen und sehr straff bearbeiten lassen; hierzu lag uns bereits ein Manuskript vor.

Ein freier Redakteur hatte die erste Hälfte von »Unternehmen Stardust« genommen und einmal gründlich durchgearbeitet. Das Original von Karl-Herbert Scheer klang nach der Bearbeitung meiner Ansicht nach nicht mehr so gut.

»Wenn schon, dann müssen wir alles komplett neu machen«, argumentierte ich. »Ein echter Neustart ist nötig.« Für diesen lag das Frank-Borsch-Manuskript jetzt vor. Ich selbst hatte es gründlich gelesen und mit dem Autor ein erstes Mal durchgesprochen. Meiner Ansicht nach war es für einen Test mehr als ausreichend: Der Autor hatte gezeigt, wie man die klassische Geschichte in moderner Weise neu erzählen konnte.

»Die klassischen Elemente sind alle enthalten«, fasste ich für die Verlagsleiterin zusammen. »Die bekannten vier Astronauten landen auf dem Mond und treffen dort auf die Arkoniden.« Sogar viele Nebencharaktere, die im ersten der klassischen Romane nur mit Namen auftauchen, hatte Frank Borsch in seinem Manuskript mit Leben erfüllt. Er hatte es modernisiert, er verneigte sich gewissermaßen aber auch vor den Autoren, die 1961 die PERRY RHODAN-Ideen erarbeitet hatten.

Wir vereinbarten, dass ich ein Dossier für die Geschäftsleitung zusammenstellen sollte: Es sollte aus dem »Original-Scheer«, der bearbeiteten Version und dem Borsch-Text bestehen. Das alles sollte ebenso der Vertrieb als Lektüre erhalten – wir wollten den Vertrieb bewusst einbinden. »Wenn die im Vertrieb das Thema gut finden, platzieren sie die neuen Romane auch gut im Handel« – davon war die Verlagsleiterin überzeugt.

So wollten wir das Thema weiter vorantreiben. Es gab keinen Handlungsdruck, aber ich wollte weiterkommen. Es war an der Zeit, die klassische Geschichte erneut zu erzählen.

Die weiteren Themen des Tages hatten ebenfalls einige Brisanz. Uns machte beispielsweise die dritte Auflage immer mehr Sorgen. Die Verkaufszahlen sanken unaufhörlich. »Wir müssen bis Band 1800 durchhalten«, argumentierte ich. »Damals sind bei diesem Band in der Erstauflage ebenfalls die Verkaufszahlen stark gestiegen.«

Die Verlagsleiterin blieb skeptisch. Wir sollten uns stärker auf die Erstauflage konzentrieren. Der Band 2350 war kurz davor erschienen, bislang gab es noch keine aussagekräftigen Verkaufszahlen. »Es ist eh ein kleines Jubiläum«, argumentierte ich, »da wird am Kiosk nicht viel passieren.« Uns beiden war klar, dass die nächste Vertriebsaktion für unsere Serie erst mit dem Band 2400 vernünftig zu planen sein würde.

»Wir müssen schauen, dass wir an anderen Punkten den Verkauf verstärken«, so die Verlagsleiterin. Sie habe jetzt regelmäßige Besprechungen mit der Abonnement-Verwaltungen eingeführt. Dabei wollte sie herausfinden, ob es möglich sei, durch geschickt gewählte Prämien die Zahl der Abonnements zu erhöhen. »Denken Sie mal mit Ihrer Redaktion darüber nach, welche neuen Prämien möglich wären«, schlug sie vor. »Nicht die üblichen Taschen mit PERRY RHODAN-Aufdruck, sondern mehr.«

Weitere Themen, über die wir an diesem Tag sprachen, waren unser Archiv auf dem Speicher des Verlages, sowie ein allgemeiner Vertrag mit unserer Marketing-Agentur. Als wir auseinander gingen, hatten wir aber beide das Gefühl, mit dem PERRY RHODAN-Neustart einen wichtigen Schritt weiter gekommen zu sein ...



Klaus N. Frick