Der Redakteur erinnert sich: Ein Con-Besuch in Bamberg

25. November 2015

Das Oster-Wochenende des Jahres 1981 stand für mich im Zeichen eines Science-Fiction-Treffens – ich war zu diesem Zweck extra nach Bamberg gefahren. Dort hatten die Mitglieder des Science-Fiction-Korrespondenz-Rings am Freitagabend lange getagt und vor allem zu vorgerückter Stunde ziemlich viel Bier getrunken. Entsprechend müde waren wir alle am nächsten Morgen.

In der Fan-Wohnung, wo ich auf dem Fußboden und im Schlafsack übernachtet hatte, gab es ein kleines Frühstück für alle Gäste, dann brachen wir in die Innenstadt auf. Dort sorgte ich wohl ein wenig für Aufsehen: In diesem Jahr hatte ich damit angefangen, mir eine Krawatte als Stirnband um den Kopf zu wickeln. Das fand ich unglaublich »cool« – den Ausdruck benutzte man damals allerdings nicht –, und ich mochte vor allem die irritierten Blicke, die mir Passanten zuwarfen.

Bei verschiedenen Cons in diesem Jahr lief ich mit entsprechender Optik auf, was dazu führte, dass sich viele Leute die Krawatte und den dazu gehörenden Jung-Fan merkten. Damit war das Ziel erreicht: Ich wollte, dass die Leuten wussten, wer ich bin. (Im Nachhinein würde ich sagen: Für einen 17 Jahre alten Jugendlichen ist auffälliges Verhalten ziemlich normal ... was meine heutige Toleranz gegenüber Teenager-Torheiten hoffentlich verständlich macht.)

Am frühen Nachmittag setzten wir in der bereits bekannten Gastwirtschaft die Jahresversammlung des Vereins fort. Das ging erstaunlich schnell; die Formalitäten wurden abgearbeitet, der neue Vorstand wurde gewählt, der alte Vorstand entlastet, über Science Fiction redeten wir eigentlich gar nicht.

Später besuchten wir einen der Fans aus Bamberg. Er war schon »ein wenig älter«, was damals für mich hieß, dass er knapp über zwanzig Jahre alt war, und wohnte bei seinen Eltern. Sein Jugendzimmer war für mich faszinierend: Um das Bett erstreckte sich in einem riesigen Halbkreis ein Berg von Romanheften, Büchern, Comics und Musik-Cassetten. Wollte er ins Bett und sich schlafen legen, musste er wirklich über diesen Ring hinweg steigen ...

Seine Mutter schien die Optik nicht so sehr zu mögen, er war damit sehr zufrieden. Da könne er sich immer dann, wenn er wolle, irgendeinen PERRY RHODAN-Roman oder ein Taschenbuch aus dem Stapel fischen und lesen. (Er war einer der Fans, die ich in jenen Jahren kennenlernte, die die Serie nicht in der »richtigen Reihenfolge« lasen, sondern immer mal wieder einen einzelnen Roman. Für mich war das unverständlich, aber er mochte es, wenn ihn die Romane besonders überraschten.)

Der Nachmittag verging mit weiterem Unfug, der nichts mit Science Fiction zu tun hatte. Wir waren eine Bande von Jugendlichen, die in einer fremden Stadt herumstromerten, zumindest die Fans, mit denen ich unterwegs war. So verbrachten wir längere Zeit in einer »Spielhölle«, wo wir flipperten oder Tischfußball spielten.

Am frühen Abend gingen wir noch einmal in die Kneipe, die als »Con-Lokal« diente. Eigentlich war geplant, ein weiteres Mal ernsthaft zu arbeiten. Der Science-Fiction-Korrespondenz-Ring sollte stabilisiert werden, es mussten neue Vorstandsposten besetzt, Arbeitsgruppen eingerichtet und Redaktionsstellen für die Fanzines eingeführt werden. Aber recht schnell setzte sich die »Spaßfraktion« durch. Es wurde viel Bier getrunken und geblödelt. Auch an diesem Abend hielt sich der Science-Fiction-Anteil an diesem Con schwer in Grenzen.

Zu vorgerückter Stunde verteilten wir uns auf die unterschiedlichen Wohnungen. In dem Zimmer, das als meine Schlafstelle diente, lag ein Stapel ein Zeitschriften herum. Ich nahm mir die Lektüre der »Playboy«-Hefte vor; solche Hefte kannte ich bislang nur vom Hörensagen. Parallel dazu liefen die Diskussionen ab, an denen ich mich immer beteiligte; sie sprangen kreuz und quer durch die Räume, dabei wurden immer wieder aktuelle Science-Fiction-Filme oder -Romane thematisiert. Irgendwann schliefen dann alle Fans.

Dass wir uns am nächsten Tag zum dritten Mal in derselben Gaststätte trafen, fand ich toll. Da kannte ich mich bereits aus, und es ergab sich eine sehr amüsante Abschiedsrunde. Eigentlich wurde nur noch gegessen, getrunken und geblödelt; über Science Fiction und andere ernsthafte Themen wurde nicht mehr gesprochen.

Nach einer ereignislosen Heimfahrt und einigen recht normalen Arbeitstagen – ich jobbte damals neben der Schule in einem Supermarkt und an einer Tankstelle – setzte ich mich an die Schreibmaschine und verfasste einen Bericht über das Wochenende. Wie es sich für einen Con-Bericht in dieser frühen Phase meiner Fan-Laufbahn gehörte, zählte ich vor allem auf, wieviel Bier getrunken und wieviel geflippert worden war.

Mein Bericht erschien in meinem eigenen Ego-Fanzine, ich unterschrieb ihn mit »Klaus N. Münchhausen«, womit klar war, dass Teile der sogenannten Berichterstattung mehr Blödsinn als Realität waren. Seriösere Berichte wurden im internen Fanzine des Science-Fiction-Korrespondenz-Rings veröffentlicht; dort wurde auch über die Vorstandswahlen informiert. Aber meine Sicht der Dinge entsprach meiner eigenen Wahrnehmung.

Schaue ich einigermaßen realistisch auf diesen Con zurück, bleibt als Fazit, dass er unter ernsthaften Gesichtspunkten unwichtig war. Für einen jungen Fan wie mich bildete er aber einen wichtigen Schritt in die »richtige« Richtung: hinaus in die Fan-Szene, hin zu neuen Kontakten und vor allem frischen Ideen ...

Klaus N. Frick