Der Redakteur erinnert sich: Der WeltCon-Sonntag

19. Juli 2018

Als ich an diesem Sonntagmorgen aufstand, ging es mir nicht besonders gut: Die Nacht war zu kurz gewesen, und ich hatte das eine oder andere Bier zuviel getrunken. Es war der 7. September 1986, und der zweite Tag des PERRY RHODAN-WeltCons in Saarbrücken stand vor mir. Und ich ging davon aus, dass die meisten Autoren und Kollegen an diesem Morgen auch nicht sonderlich fit aussehen würden.

Meine Verwunderung war allerdings groß, als ich Clark Darlton traf: Mit einem breiten Grinsen betrat er den Fahrstuhl, den ich kurz davor verlassen hatte. Der Autor ging also zu dem Zeitpunkt, als ich in den Frühstücksraum kam, gerade erst zu Bett. Wie er mir kurz mitteilte, hatte er die Nacht an der Theke verbracht. Ich war gebührend beeindruckt.

Nach dem Frühstück blieb mir nicht mehr viel Zeit. Ich packte meine Sachen zusammen und ließ mich – mit den anderen Verlagsangehörigen – zur Saarlandhalle fahren.

Dort herrschte bereits ein munteres Durcheinander. Viele Fans, die in der Eislaufhalle übernachtet hatten, waren schon wach. Sie standen in Gruppen zwischen den Hallen herum, sie unterhielten sich oder warteten darauf, wieder den WeltCon besuchen zu können.

Wie am Vortag, so zählte auch diesmal zu meinen Aufgaben, mich um die Dinge im Hintergrund zu kümmern. Ich sprach mit Journalisten und kümmerte mich um die kleinen Probleme, die sich im Verlauf des frühen Morgens und des späten Abends ereignet hatten. Dazwischen trank ich unglaublich viel Mineralwasser, um die leichten Kopfschmerzen zu vertreiben, die der Vorabend hinterlassen hatte.

So bekam ich den ersten Höhepunkt des Cons nur am Rand mit. Ein alter Herr mit auffallender Frisur ging auf die Bühne, er nannte sich Professor Dr. Erasmus Hummeldinck und wurde als Professor für Darltonik an der Technischen Universität in Bonn angekündigt. Dahinter steckte natürlich Clark Darlton selbst, der sich spätestens mit diesem Auftritt in Verkleidung als eigentlicher Star des Cons erwies.

Wie der Autor es fertigbrachte, nach so wenig Schlaf – falls er überhaupt welchen gefunden hatte – einen so witzigen Auftritt hinzulegen, blieb mir schleierhaft. Ob das, was er erzählte, richtig gut war, bekam ich nicht mit. Er sprach über die Geheimnisse der verlorenen Zeit, und im Saal wurde sehr oft sehr laut gelacht. Den Fans schien es zu gefallen.

Der nächste humoristische Schlag kam kurz darauf: Karl Dall, ein bekannter Fernsehkomödiant, war vom Verlag verpflichtet worden. Zuerst war Thomas Gottschalk im Gespräch gewesen, wie ich wusste, aber bei diesem hatte es aus verschiedenen Gründen nicht geklappt. Karl Dall hatte sich nicht sonderlich vorbereitet und reiste für einen Auftritt von einer Stunde nach Saarbrücken – dafür wurde er sehr großzügig entlohnt.

Alle PERRY RHODAN-Autoren hatten sich auf der Bühne platziert, und Karl Dall wurde von H. G. Francis begrüßt; Francis hatte sich extra dafür die Maske eines Löwen übergezogen, wollte damit als Außerirdischer wirken. Nach einigem Geplauder nahm H. G. Francis die Maske ab und setzte sich zu seinen Kollegen.

Dall versuchte, mit lockeren Sprüchen die Autoren zu ebenso lockeren Sprüchen zu bringen. »Was wäre, wenn morgen die Arkoniden im Central Park in New York landen würden?«, war der Ausgangspunkt. Die weitere Frage ging dann in die Richtung, wie sich der jeweilige Autor verhalten würde, wenn er auf die Außerirdischen träfe.

Jeder Fan im Saal merkte, dass Dall keine Ahnung von Science Fiction im Allgemeinen und PERRY RHODAN im Besonderen hatte. Und nicht alle Autoren konnten mit seiner Art von Humor etwas anfangen. Ich stand auf der Empore und blickte auf die Bühne hinunter. Die Con-Besucher in meiner Nähe wirkten nicht überzeugt, sie lästerten leise oder machten ihre eigenen Witze. Ab und zu wurde geklatscht, wenn einer der Autoren einen guten Spaß machte – aber immer wieder standen Fans auf und verließen den großen Saal.

Ich schaute mir danach – wann immer ich Zeit hatte – auch einige Programmpunkte in den kleineren Räumen an. Rainer Stache aus Berlin hielt seinen Vortrag unter dem Titel »Wie literarisch ist PERRY RHODAN?« in einem Raum, der sich als überfüllt erwies. Stache, den ich 1982 bei einem Con in Mönchengladbach kennengelernt hatte, war ein echter Experte für die Serie, er kannte sich hervorragend aus und hatte es geschafft, mit einem PERRY RHODAN-Thema zu promovieren. Auch andere Vorträge wie »Jugend und PERRY RHODAN« kamen durchaus gut an.

Zwischendurch führte ich Journalisten durch die Saarlandhalle. Ein Team der Fernsehsendung »heute« war vor Ort, ließ sich alles sehr genau zeigen und filmte viel. (Wegen der politischen Ereignisse an diesem Wochenende – unter anderem ein Terroranschlag auf eine Synagoge in Istanbul – wurde der WeltCon in den Medien kaum berücksichtigt.)

Unter anderem fanden kostümierte Fans das Interesse der Journalisten. Dass die Fans sich nicht in PERRY RHODAN-orientierte Kleidung gesteckt hatten, sondern sich als Ninjas oder Angehörige von Fantasy-Völkern präsentierten, interessierte die Journalisten nicht – sie freuten sich darüber, einige bunte Bilder mit kostümierten Leuten aufnehmen zu können.

Auf diese Weise verpasste ich große Teile des Cons. Meine eigentliche Arbeit ging vor, ich bekam nicht viel mit. Erst zum sogenannten Happening am Sonntagnachmittag war ich wieder in der Halle ...

 

Klaus N. Frick