Der Redakteur erinnert sich: Der Schwarm-Zyklus in der Planung

23. Mai 2014

Auch wenn im Frühjahr 1995 in der PERRY RHODAN-Redaktion nicht viel zum Guten stand – Kolleginnen und Kollegen aus anderen Abteilungen waren reihenweise entlassen worden, ein weiterer Umzug innerhalb des Verlages stand uns bevor –, mussten wir selbstverständlich alles so planen, als ob sich rings um uns nichts ändern würde.

Das galt insbesondere für die PERRY RHODAN-Bücher, die zu jener Zeit vom Buchvertrieb wegen ihrer guten Verkaufszahlen sehr gemocht wurden. Im Buchverlag erwartete man von der Redaktion, dass die Bücher regelmäßig in der Setzerei landeten; wie das geschah, interessierte niemanden.

»Viermal im Jahr fallen die PERRY RHODAN-Bücher vom Himmel« – so bezeichnete in dieser Zeit eine Kollegin die abwartende Haltung der Vertriebskollegen.

Immerhin hatten wir einen Mann, der uns von außen hervorragend zuarbeitete, so dass es nie zu terminlichen Engpässen kam. Horst Hoffmann, der die Bücher inhaltlich betreute, war immer sehr akkurat, was die Termine anging.

Und so reichte er bereits im April 1995 ein Konzept ein, das den gesamten Schwarm-Zyklus umfasste. Aus den 69 Heftromanen wollte er acht Bücher machen, beginnend mit dem Silberband 55. Erscheinen sollte dieser im Spätsommer 1996 – Horst Hoffmann war also erfreulicherweise über ein Jahr »vor der Zeit«.

In seiner Einleitung verwies er darauf, dass der »69 Hefte umfassende Zyklus besser geeignet« sei als der vorherige. Damit meinte er den Cappin-Zyklus, bei dem vor allem die zweite Hälfte durch teilweise starke Längen gekennzeichnet war. Horst Hoffmann hatte zwischenzeitlich überlegt, die Hefte 450 bis 499 in ein einziges Buch zu packen: in eine einzige Nacherzählung der fünfzig Heftromane. Ich hatte davon abgeraten, und Dr. Florian F. Marzin, unser Chefredakteur, hatte sich meinen Argumenten angeschlossen.

Beim PERRY RHODAN-Silberband 55: »Der Schwarm«Schwarm-Zyklus würde einiges anders laufen. Der Zyklus lasse sich, so der Autor, »thematisch gut aufteilen«, jedes Buch habe nach seiner Planung »einen eigenen Schwerpunkt im Gesamtgeflecht«. Wenn er die geplanten acht Bände umsetzen könne, seien wir »gut im Maß«, ohne dass wir zu viel kürzen müssten.

Der Zyklus sei von »vielen Kritikern zu unrecht unterschätzt worden«. In seinem Arbeitspapier verwies der Autor auf die teilweise faszinierenden Völker und auch auf Figuren, »die weit über ihr Ende hinweg beliebt« waren. Das Heimliche Imperium der Cynos, die geheimnisvolle Kytoma oder der Anzug der Vernichtung wurden von ihm als wichtige Rätsel genannt, »die zum Teil erst viel später sehr wichtig« wurden.

Horst Hoffmann betrachtete den Zyklus als einen Einstieg in »die moderne Rhodan-Serie«; den Autoren sei das »damals sicher so klar noch nicht« gewesen. Nach dem »grausamen Cappin-Zyklus« sehe er optimistisch in die Zukunft.

Für den ersten Band, der den Titel »Der Schwarm« tragen und mit der Nummer 55 erscheinen sollte, schlug er insgesamt sechs Romane vor: die Eröffnungsbände von K.H. Scheer und William Voltz, darüber hinaus einen weiteren Voltz-Roman sowie einen Vlcek-, einen Kneifel-. und einen Darlton-Band. Bewusst entfallen lassen wollte er zwei Ewers-Romane sowie einen Band von Clark Darlton und Hans Kneifel.

Das Ziel lag klar auf der Hand: Der Einstieg in den neuen Zyklus sollte gleich spannend beginnen und auf zu viele Längen sowie Nebenhandlungen verzichten – ungeachtet der Tatsache, dass diese oftmals sehr originell waren. Immerhin brachte der erste Band nach dieser Planung die Rückkehr der MARCO POLO in die Milchstraße und die Feststellung, dass die gesamte Galaxis von der sogenannten Verdummung betroffen war.

Als Band 56 war »Kampf der Immunen« vorgesehen, für den Horst Hoffmann darüber hinaus den Alternativtitel »Testfall Rorvic« vorschlug. In seinem Konzept verwies er auf die Schwierigkeiten, die sich mit dem Inhalt der ausgewählten Original-Heftromane ergaben: Offenbar wurde in der Serie damals ausgesagt, dass die Verdummungsstrahlung dazu dienen solle, die Superintelligenz ES auszuschalten – das sei aber ein Widerspruch zu weiteren Erkenntnissen in den folgenden Zyklen.

Als Möglichkeit eins schlug Horst Hoffmann vor, die Superintelligenz BARDIOC früher ins Spiel zu bringen, allerdings nur in Andeutungen. Sie könnte doch einen »Langzeitplan gegen ES programmiert« haben. Als zweite Möglichkeit bot er an, »den Unfug einfach« herauszunehmen. In diese Richtung ging er später bei der weiteren Bearbeitung des Zyklus – eine zu frühe Erwähnung der Mächtigen und der Superintelligenzen hätte die Silberbände in eine völlig andere Richtung entwickelt.

Buch 57 sollte den Titel »Das Heimliche Imperium« tragen; der Bearbeiter bot darüber hinaus »Das große Sterben« an. Die zweite Variante bezog sich auf die Menschen des Homo Superior, die in der Heftromanhandlung der frühen 70er-Jahre stark eingeführt worden waren und die man dann schnell wieder aus der Serie geschrieben hatte. Dieses Sterben sollte im Silberband 57 geschildert werden.

Für die Bände 58 (entweder »Die Gelben Eroberer« oder »Die Fünfte Kolonne«), 59 (»Herrscher des Schwarms«), 60 (»Die Cynos«) und 61 (»Götzendämmerung«) lieferte der Autor ebenso Titellisten, Inhaltsangaben und Titelvorschläge.
Beim geplanten Buch 62 ging er stärker ins Detail. »Die neuen Herrscher« könnte es heißen, aber auch »Das Tabora« oder »Schlüssel zur Macht« oder »Ovarons Corps«. Darüber hinaus bot er einen Ausblick, der vom »Schwarm«-Zyklus bis in die nähere Zukunft reichte – mit Figuren wie Kytoma, die er als »eine der faszinierendsten Figuren überhaupt« bezeichnete, ebenso mit Dalaimoc Rorvic und Tatcher a Hainu.

Das Arbeitspapier fand ich richtig gut. Es lieferte eine klare Auflistung und konnte im Prinzip eins zu eins umgesetzt werden. Ich diskutierte das Arbeitspapier zuerst mit Sabine Bretzinger – heute Kropp – und Florian F. Marzin, unserem Chefredakteur. Dann telefonierte ich mit Horst Hoffmann und gab ihm »grünes Licht«.

Dass die Bücher dann teilweise andere Titel hatten und der Zyklus neu gegliedert wurde, lag in der Natur der Sache. Spätestens bei der Detailarbeit ändern sich immer die Inhalte der PERRY RHODAN-Bücher, seien diese noch so gut geplant ...


Klaus N. Frick

 

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