Der Redakteur erinnert sich: »Eine dritte Wirklichkeit«

23. April 2019

Es war ein seltsames Gefühl für mich: Ich stand auf der Bühne, Elke Rohwer neben mir, und wir lasen gemeinsam einen Text vor, den ich erst einige Tage zuvor geschrieben hatte. Es war der 1. Oktober 2011, ein Samstag, und der PERRY RHODAN-WeltCon sollte auf einen weiteren Höhepunkt zusteuern. Wir wollten unsere neue Serie präsentieren, wir wollten über PERRY RHODAN NEO sprechen – ohne zu wissen, wie die Serie ankommen würde.

Elke stellte als Redakteurin die grundsätzlichen Gedanken vor, präsentierte unsere neue Serie »als eine klassische Science-Fiction-Überlegung«, als »eine Was-wäre-wenn-Frage, eine Frage nach grundsätzlich anderen Gedankenspielen«. Sie erzählte von unserem Gedankengang, von den »zwei Wirklichkeiten in Sachen Mondlandung«.

Die eine spreche davon, dass Neil Armstrong auf dem Mond landet und vom kleinen Schritt für einen Mann und dem großen Schritt für die Menschheit spricht. Die andere hingegen – so Elke – setze den amerikanischen Astronauten Perry Rhodan sowie seine Begleiter Reginald Bull, Clark Flipper und Eric Manoli ins Zentrum.

»Mit PERRY RHODAN NEO gesellt sich zu diesen zwei Wirklichkeiten eine dritte hinzu«, sagte sie. »Sie ist ebenfalls fiktiv, aber sie jongliert mit einer grundsätzlich anderen Ausgangsposition.« Die Mondlandung sollte erneut stattfinden, aber erst im Jahr 2036 …

Elke berichtete von den Überlegungen der Autoren; vor allem Frank Borsch als Exposéautor hatte sich über politisch-gesellschaftliche Dinge viele Gedanken gemacht. Welche Entwicklungen mussten berücksichtigt werden? Mussten wir Klimawandel, Terrorismus und Umweltverschmutzung in der Handlung der Serie verarbeiten?

Nachdem Elke die aktuelle Planung vorgestellt hatte, ging ich in die Vergangenheit. Ich verwies auf die frühen Exposés von Karl-Herbert Scheer und Walter Ernsting alias Clark Darlton. Bekanntlich beratschlagten die beiden Autoren in stunden- und tagelangen Diskussionen darüber, wie eine nahe Zukunft aussehen könnte.

»Während sich Karl-Herbert Scheer viele grundsätzliche Gedanken darüber machte, wie eine Mondlandung technisch-wissenschaftlich zu verlaufen hatte, war Clark Darlton derjenige, der die träumerischen Ideen beisteuerte«, fasste ich zusammen. Ich verwies auf »den Gedanken an die Unsterblichkeit, der Traum vom Ewigen Leben, die Flüge in andere Sonnensysteme und die Reisen in andere Zeiten und Universen«. Wäre PERRY RHODAN am Anfang auf reine Action konzentriert gewesen, wäre die Serie nie ein solcher Erfolg geworden – die Ernstingschen Träumereien gehörten stets dazu.

Ähnlich ging es uns bei der Planung von PERRY RHODAN NEO. Seit 2003 hatten wir immer wieder an dem Thema gearbeitet. Mir war recht früh klargeworden, dass nur ein Autor in Frage käme, diese Serie zu steuern. Frank Borsch hatte in meinen Augen mit seiner »Alien Earth«-Trilogie gezeigt – die drei Bände waren bei Heyne erschienen –, wie klarsichtig und spannend zugleich er eine Welt in der nahen Zukunft beschreiben konnte.

An dieser Stelle setzte wieder Elke an; sie erwähnte die Figuren, die in der neuen Serie auftauchen sollten. »Selbstverständlich wäre es töricht gewesen, auf Perry Rhodan zu verzichten oder aus Reginald Bull eine Frau zu machen«, sagte sie und verwies auf die Figuren, die wir für NEO veränderten.

Der Telepath John Marshall beispielsweise wohne nicht in Australien, sondern kümmert sich in den Vereinigten Staaten um Jugendliche. Das Finanzgenie Homer G. Adams sollte in der neuen Serie eine ganz andere Rolle innehaben. Und mit Sid Gonzalez wollen wir gleich im ersten Roman eine Figur einführen, die es in der ursprünglichen Serie gar nicht gibt.

»Das alles ist kein Selbstzweck«, so die Redakteurin, »sondern geschieht, weil wir eine neue Serie schaffen wollen – keine Replikation des klassischen Stoffes.« Wir wollten schließlich nicht »einfach die ersten zehn oder zwanzig PERRY RHODAN-Hefte nacherzählen«; das wäre einfach gewesen. Wir hatten uns »bewusst für den komplizierteren Weg entschieden, aber gleichzeitig für den spannenderen und lohnenswerteren«.

Ich wusste, welche Sorgen sich in diesem Augenblick mancher Besucher des WeltCons im Saal machte. Wir hatten diese Sorgen früh genug diskutiert, und ich konnte mich darauf einstellen. Wie würde denn das »Perryversum« aussehen, wenn es künftig PERRY RHODAN NEO geben würde? Welche Fakten sollten künftig gelten? Müsste man sich künftig zwischen zwei verschiedenen Angaben entscheiden?

»Wird Perry Rhodan, wenn er in Heft 2650 an die Mondlandung denkt, sich an das Jahr 1971 oder an das Jahr 2036 erinnern?«, fragte ich in den Saal. »Welche Erinnerungen hat Perry Rhodan an die Venus, welche an die amerikanischen Astronauten Freyt und Deringhouse, was verbindet ihn mit John Marshall oder Homer G. Adams?«

Ich hatte das Gefühl, dass mich alle anstarrten. Dann sprach ich die Worte, die manchem wohl wie eine Erlösung vorkamen: »Es gibt künftig schlicht zwei Perryversen – anders geht es nicht.« Die laufende PERRY RHODAN-Serie basiere meiner Ansicht nach weiterhin auf den Fakten, die mit »Unternehmen Stardust« im Jahr 1961 und den folgenden Romanen geschaffen worden seien. Und PERRY RHODAN NEO werde etwas komplett Neues.

Als an dieser Stelle im Saal spontaner Beifall ausbrach, dem sich viele anschlossen, war ich mehr als erleichtert.

Klaus N. Frick

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