Die Redaktion empfiehlt: »Die Affekte« von Rodrigo Hasbún Familienchronik in lakonischen Sätzen

5. Juli 2018

Der Autor ist Bolivianer mit palästinensischen Wurzeln, er wohnt in Houston, Texas, und sein Roman wurde in Spanien zuerst veröffentlicht. Und weil das nicht genügt: Er schreibt über eine deutsche Familie und ihre Geschichte in den 50er- und 60er-Jahren in Südamerika.

Verwirrt? Aber das passt tatsächlich gut zusammen. Rodrigo Hasbún erzählt in »Die Affekte« von einem deutschen Mann, der nach dem Zweiten Weltkrieg mit seiner Frau und seinen drei Töchtern nach Bolivien auswandert. Weil er während des Nazi-Regimes als Kameramann an der Propaganda mitgewirkt hat, ist er im Nachkriegssdeutschland verfemt.

Hans Ertl versucht, in Bolivien ein neues Leben anzufangen. Weder auf seine Frau noch auf seine Töchter nimmt er dabei  Rücksicht ...

In seinem schmalen Roman zeigt Hasbún die Lebensgeschichten der Familienmitglieder auf, vor allem die der Töchter. Der Autor beleuchtet die Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven, die jeweils einen eigenen Blickwinkel haben und so die einzelnen Charaktere deutlich hervorstechen lassen.

In einem sehr ruhigen Stil, dessen Formulierungen oftmals lakonisch klingen, erzählt Hasbún von dramatischen Ereignissen, aus denen andere Autoren einen dickleibigen historischen Roman gemacht hätten. Er zeigt, wie sich eine Familie an ihre neue Umgebung anpassen möchte, wie sich trotzdem die mitteleuropäische Erziehung immer wieder durchsetzt. Vor allem erzählt er aber davon, wie sich eine junge Frau immer stärker radikalisiert.

Der Autor macht die Gefühle klar, die einzelne Menschen zu ihren manchmal kaum nachvollziehbaren Handlungen treiben. Er zeigt Entwicklungen, die überraschend verlaufen, aber in sich logisch wirken. Wer sich als Leser darauf einlässt, lernt auf diese Weise eine Familie so gut kennen, dass man sie fast als Verwandtschaft betrachten könnte.

»Die Affekte« ist als der erste Roman des Schriftstellers in deutscher Sprache veröffentlicht worden. Ich empfinde die Übersetzung als gelungen, weil die gelegentlich sehr nüchternen Beschreibungen ebenso glaubhaft wirken wie die Dialoge. Es handelt sich dabei übrigens um Hasbúns zweiten Roman; man muss sehen, ob weitere Werke des Autors übersetzt werden.

»Die Affekte« ist kein Roman, den man in einem Rutsch durchliest, obwohl er sehr unterhaltsam ist. Während der Lektüre hielt ich gelegentlich inne, um zurückzublättern und ähnliche Geschehnisse aus einer anderen Sichtweise wahrzunehmen. Weil der Autor den Familienmitgliedern immer eine »eigene Sprache« verpasst, entsteht ein spannendes Panorama. Somit ist der Roman zwar dünn, was die Seitenzahlen angeht, aber durchaus wuchtig, wenn man sich auf seinen Inhalt konzentriert.

Das Buch ist als schönes Hardcover mit Schutzumschlag erschienen, umfasst 142 Seiten und kostet 18,00 Euro. Mithilfe der ISBN 978-3-518-42764-4 kann es jede Buchhandlung liefern, ebenso Versender wie der PERRY RHODAN-OnlineShop. Es ist selbstverständlich auch als E-Book erhältlich.

Wer sich in den Roman ein wenig einlesen möchte, kann dies auf der Internet-Seite des Suhrkamp-Verlags tun. Für manchen Leser könnte dies eine ganz neue Erfahrung sein ...

 

Klaus N. Frick

Die Affekte
Hasbún, Rodrigo
Suhrkamp
ISBN/EAN: 9783518427644
18,00 €
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