Die Redaktion empfiehlt: »Central Station« von Lavie Tidhar Stilistisch wie inhaltlich starke Science Fiction

5. September 2018

In einer Zukunft, zeitlich nicht genau definiert: Die Menschheit hat es nach vielen Kriegen und Konflikten geschafft, ins All vorzustoßen. Behilflich dabei sind Weltraumbahnhöfe, an denen Raumschiffe ihre Passagiere entladen und neue Waren aufnehmen. Doch die Expansion ins All bringt auch neue Konflikte mit sich – es kommen seltsame Wesen auf die Erde, und die alten Streitereien um Religion und Gesellschaft verbinden sich mit Problemen, die man vorher nicht kannte.

Mit seinem Roman »Central Station« wirft der israelische Schriftsteller Lavie Tidhar einen faszinierenden Blick auf eine Science-Fiction-Welt, die von fantasievollen Ideen nur so wimmelt. Er schickt eine Reihe von Figuren in seine Welt, unternimmt dabei erst gar nicht den Versuch, alle Details zu erklären, und liefert einen Roman, der sich streckenweise so anfühlt, als habe jemand einige Erzählungen aneinander gereiht.

Entsprechend schwer fällt es mir, eine knappe Inhaltsangabe zu geben. Central Station ist ein Weltraumbahnhof, der ausgerechnet in Tel Aviv errichtet worden ist. Auf der oberen Plattform  landen die Raumschiffe, die Passagiere und Waren aus dem All bringen. Auf dem Erdboden hat sich fast alles verändert; die religiösen Konflikte der Vergangenheit sind zu einem Durcheinander von Religionen, Kulten und schrägen Philosophien geworden.

Diese Welt ist nicht nur von Menschen besiedelt, sondern auch von Robotern, die längst ein eigenes Bewusstsein entwickelt haben und auch über religiöse Empfindungen verfügen. Gleichzeitig existiert eine parallele Welt, gewissermaßen eine Art »Über-Internet«, in dem virtuelle Wahrscheinlichkeiten, Spiele und künstliche Intelligenzen zu einem Brei aus Informationen und Bildern verschmelzen. Wer sich in der Welt von »Central Station« bewegt, ist also rund um die Uhr von Daten umgeben, steckt sowohl in der »wahren Welt« mit Staub und Hitze fest als auch in einem fiktiven Universum, in dem einem Menschen ganz andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen.

Durch diese Welt bewegt sich beispielsweise Boris. Er hat lange Zeit auf dem Mars gelebt, und möchte nun eine alte Freundin wieder treffen. In dieser Welt gibt es predigende Roboter und alte Schrottsammler, eine leicht angeschmuddelte Bar dient als Treffpunkt, und ein »Vampir« saugt an Daten, die überall zur Verfügung stehen. Boris trifft all diese Leute, und er kennt sie – aus diesen Begegnungen entsteht letztlich die Geschichte.

Lavie Tidhar zeigt mit visionärem Blick eine zukünftige Welt, die sich stark von unserer heutigen Zeit unterscheidet. Es ist eine faszinierende Zukunft, in der Menschen und Roboter teilweise ganz andere Probleme haben als die Menschen des 21. Jahrhunderts. Dass der Autor sich nur auf den Schauplatz Tel Aviv beschränkt, ist ungewöhnlich, passt aber zu seinem offensichtlichen Konzept: Er will die »Central Station« und ihr Umfeld vorstellen.

Sein Roman ist also kein großes Science-Fiction-Abenteuer, in dem am Ende eine Gruppe von Kämpfern das Universum rettet – oder zumindest eine Welt. Sein Roman ist das groß angelegte Bild einer Stadt im Umbruch. Wer knallige Action erwartet, den dürfte dieser Roman eher langweilen. Wer mal über den Tellerrand schauen möchte, sollte unbedingt die Leseprobe auf der Internet-Seite des Heyne-Verlages antesten.

»Central Station« ist ein origineller Science-Fiction-Roman, wie ihn das Genre immer mal wieder benötigt. Der Autor zeigt mit seinen faszinierenden Beschreibungen und seinen interessanten Charakteren, dass sich literarischer Anspruch und spannende Unterhaltung nicht ausschließen müssen. Streckenweise bildet der Roman keine leichte Lektüre, man muss sich auf die Geschichte konzentrieren, um ihr komplett folgen zu können. Sprachlich behält der Autor ein hohes Niveau bei, die Übersetzung von Friedrich Mader wirkt auf mich sehr kompetent.

Erschienen ist der Roman als Taschenbuch, er umfasst 352 Seiten. Mithilfe der ISBN 978-3-453-31881-6 kann er überall im Buchhandel zum Preis von 9,99 Euro bestellt werden. Selbstverständlich ist er auch über Versandhändler wie den PERRY RHODAN-OnlineShop lieferbar.

 

Klaus N. Frick

Central Station
Tidhar, Lavie
Heyne, Wilhelm Verlag
ISBN/EAN: 9783453318816
Central Station
Tidhar, Lavie
HEYNE
ISBN/EAN: 9783641211011
9,99 €
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