Emmanuel Lepage ist mir seit längerem als ein Comic-Künstler bekannt, der beeindruckende Bilder liefert und damit einen Realismus erzeugt, der mich immer wieder verblüfft. Der aktuelle Band mit dem Titel »Ar-Men« bildet dabei keine Ausnahme – hier vereinen sich die starken Bilder mit einer Geschichte, die historische Ereignisse mit phantastischen Elementen verbindet. Der Begriff der »Graphic Novel« oder des »Comic-Romans« ist bei diesem Band absolut berechtigt.
Zwar spielen auch Menschen eine wichtige Rolle, die eigentliche Hauptperson ist aber ein Leuchtturm, der »Ar-Men« genannt wird. Vor der Küste der Bretagne, schon im offenen Ozean, hat man ihn auf einem Felsen erbaut, der aus der rauen See ragt. Man kann sagen, dass es sich um einen der unwirtlichsten Orte handelt, die man sich in Frankreich vorstellen kann, weit abgeschieden von jeglicher menschlichen Siedlung.
Heutzutage sind Leuchttürme nicht mehr bewohnt, die Anlagen werden automatisch gewartet. Früher aber lebten Männer in den Leuchttürmen, so auch auf Ar-Men. Der Turm ist so abgeschieden, dass zu jener Zeit wegen der Wetterbedingungen oft über Wochen hinweg kein Kontakt zum Festland möglich war. In den 60er-Jahren wird er zu einem Ort, an dem ein Mann mit sich und seiner Vergangenheit konfrontiert wird ...
Emmanuel Lepage lässt mit Germain – so der Name seiner Hauptperson – den Leser an den Traumata dieser Figur teilhaben. Die Geschichte der Bretagne und einige Mythen der Halbinsel vermischen sich ebenso mit den Geschehnissen am Leuchtturm wie Germains Erinnerungen an seine Familie. Der Comic-Künstler schafft in spannender Weise eine Comic-Reportage, in der man viel über die Vergangenheit des Leuchtturms erfährt, und erzählt eine dramatische Geschichte, die tief in das Innere der Hauptfigur eindringt.
Es gibt Rückblenden in die bretonische Sagenwelt, dazu Verweise auf den Zweiten Weltkrieg, vor allem aber ist der Comic ein bildgewaltiges Meisterwerk: Sturm und Wellengang, der Leuchtturm im Toben der See – das alles wird von Lepage so stimmungsvoll inszeniert, dass ich mir bei der Lektüre manche Seite mehrfach anschaute.
»Ar-Men« ist ein großartiger Comic, einer von der Sorte, an die man sich nach der Lektüre noch lange erinnern wird. Der Autor und Zeichner schuf eine Geschichte, die einen wirklich berührt. Liest man sie, glaubt man das Meer zu riechen und zu spüren, vermeint man, die Wellen gegen den Fels von Ar-Men prallen zu sehen.
Wer die Chance hat, das prachtvolle Buch in einer Comic-Fachhandlung durchzublättern, sollte sie nutzen. Allen anderen empfehle ich, die Leseprobe zu »Ar-Men« zu betrachten und sich dann in den Sog aus Wind und Wellen hineinziehen zu lassen.
Der Comic-Band umfasst 96 Seiten, er erschien als Hardcover im Splitter-Verlag und kostet 19,80 Euro. Mithilfe der ISBN 978-3-96219-130-6 kann man ihn überall im Comicfach- und Buchhandel bestellen. Versandhändler wie etwa der PERRY RHODAN-OnlineShop können den Band selbstverständlich ebenfalls liefern.
Klaus N. Frick
