Von dem Autor Stuart MacBride hatte ich bis vor einem Jahr noch nicht einmal den Namen gekannt. »Den solltest du mal lesen«, riet mir ein Bekannter, von dessen Kenntnissen ich viel halte. Das tat ich – danach war ich erst einmal begeistert und kaufte mir weitere Romane des britischen Schriftstellers.
Im April 2016 erschien sein Roman »In Blut verbunden«. Der englische Originaltitel »The Missing and the Dead« klingt erstens weniger martialisch und ist auch zutreffender – man muss aber auch nicht immer nachvollziehen, warum deutsche Verlage welche Titel wählen.
Tatsache ist, dass dieser Polizeiroman nicht nur spannend ist, sondern seine Geschichte zudem sehr realistisch erzählt. (Irritierenderweise scheint die Realitätsnähe nicht bei allen Lesern anzukommen, wenn man sich die Kritiken im Internet anschaut.)
Bei dem Roman handelt es sich um den neunten Band einer Serie; man versteht ihn aber sehr gut und benötigt keine Vorkenntnisse. Logan McRae, die Hauptfigur, wird nämlich strafversetzt – und damit kann der Autor eine völlig neue Handlung aufbauen, ohne den Ballast vorheriger Geschichten. In diesem Fall verschlägt es den erfolgreichen Großstadtpolizisten, der einen starken Hang zu eigenmächtigen Aktionen hat, in die Kleinstadt Banff.
Dort wird ihm eine Polizeitruppe unterstellt, die bislang nicht durch große Heldentaten aufgefallen ist. Vor allem hat er es mit allerlei Kleinkram zu tun. Zu seinen neuen Fällen zählt beispielsweise ein Jugendlicher, der politische Graffiti sprüht; Tiere müssen gerettet und verwirrte Menschen beruhigt werden.
Wesentlich kritischer sind die örtlichen Drogenhändler, die zwar nicht gerade intelligent sind, dafür aber schnell gewalttätig werden. So schlingert McRae von einem kleinen Fall zum nächsten; dazu gesellen sich private Probleme, die ihn fast erdrücken.
»In Blut verbunden« wird sehr episodenhaft erzählt, vor allem am Anfang musste ich immer wieder zurückblättern, um die Anschlüsse zwischen den einzelnen Szenen herzustellen. Die vielen Szenenwechsel tragen aber dazu bei, dass man sich als Leser irgendwann geradezu in Banff auskennt und nachvollziehen kann, was ein Kleinstadtpolizist zu leisten hat.
Als ein Kind ermordet wird, könnte der erfahrene McRae eigentlich brillieren – doch man lässt ihn nicht. Die Polizisten der Kleinstadt müssen weiterhin die Kleinarbeit erledigen, während karrieristisch denkende Beamte aus der Großstadt kommen, um mithilfe eines Mordes ihre Karriere vorantreiben zu können.
Ich fand das alles glaubhaft und spannend erzählt. Stuart MacBride kennt sich mit der Arbeit von Polizisten offenbar sehr gut aus; er weiß um die Schwierigkeiten beim täglichen Papierkrieg. Sein Held versucht, trotz all seiner Schwierigkeiten ein guter Polizist zu sein. Doch weil er ständig bei Vorgesetzten aneckt und sich oftmals stur erweist, macht er sich selbst das Leben schwer.
Seine Hauptfigur schildert der Autor mit all ihren Stärken und Schwächen sehr vielschichtig; wer sich darauf einlassen mag, erhält eine psychologisch dichte Handlung, die zudem sehr spannend ist. Stück für Stück lernt man auch mehr über den Charakter der anderen Polizisten, so dass das Beziehungsgeflecht in Banff fast spannender wird als jede Straftat.
Die politischen Hintergründe, die immer wieder erwähnt werden, sind für die eigentliche Handlung kaum wichtig. Der Autor spart aber nicht an Kritik zu den »Reformen«, die in Schottland – nach seiner Darstellung – die Polizei geradezu gelähmt haben.
Wer einen klassischen Krimi lesen mag, an dem am Ende alles sauber aufgelöst wird, hat mit »In Blut verbunden« sicher seine Schwierigkeiten. Wer einen Einblick in die Polizeiarbeit in Zeiten von »Reformen« haben möchte und gerne starke Charaktere geschildert bekommt, dem dürfte der Roman allerdings sehr gut gefallen.
Erschienen ist der Roman im Goldmann-Verlag – ein Taschenbuch mit Klappenbroschur. Er ist 736 Seiten stark und kostet 9,99 Euro. Mithilfe der ISBN 978-3-442-48336-5 kann man ihn überall im Buchhandel bestellen; es gibt eine E-Book-Ausgabe.
Klaus N. Frick
